Leser M. fragt
Nach einer unbefriedigenden "Beratung" durch die Sparkasse im Studium und einigen Jahren der BAföG-Ruckzahlung und ersten Schritten des Vermögensaufbaus habe ich seit rund 1,5 Jahren einen Honorarberater.
Das Ganze kostet mich 1% des übertragenen Vermögens (etwa 300 Euro).
Die angestrebten 6% Rendite p.a. hat er in den letzten beiden Kalenderjahren nicht erreicht.
Die Kosten habe ich natürlich trotzdem gehabt. Die Strategie an sich finde ich ok. Er investiert aber zu 100% in aktiv gemanagte Fonds, die eben eine recht hohe Kostenquote haben.
Ich stehe aktuell vor dem Dilemma, dass ich einerseits einen Ansprechpartner habe, der eine sinnvolle Strategie fährt, der anderseits gefühlt recht teuer ist.
Sind die 1%-Kosten aus Ihrer Sicht passabel oder empfehlen Sie mir, mich selbst um ein - an beispielsweise Kommer orientiertes - Depot zu kümmern?
Der Finanzwesir antwortet
Wir reden hier von einem Gesamtvermögen von 30.000 Euro. Was nicht ganz klar ist: Worauf beziehen sich die sechs Prozent Rendite?
- Echte Netto-Rendite nach Steuern, Inflation, Fonds-Kosten und Beraterhonorar
- Brutto-Rendite vor Steuern, Inflation, Fonds-Kosten und Beraterhonorar
- Irgend etwas dazwischen
Rendite | absolute Summe | abzüglich Beraterhonorar | Anteil Beraterhonorar |
---|---|---|---|
1% | 300 Euro | 0 Euro | 100% |
2% | 600 Euro | 300 Euro | 50% |
3% | 900 Euro | 600 Euro | 33% |
4% | 1.200 Euro | 900 Euro | 25% |
5% | 1.500 Euro | 1.200 Euro | 20% |
6% | 1.800 Euro | 1.500 Euro | 17% |
Meine Annahme: Es handelt sich um die Ausschüttungsrendite. Das bedeutet: Die Fonds-Kosten sind raus, aber Steuern, Inflation und Beraterhonorar gehen noch ab.
Steuerliche Situation
Die ersten 801 Rendite-Euro bekommt M. steuerfrei. Drei Prozent sind die steuerlich relevante Renditeschwelle. Ab dann greift die Kapitalertragssteuer mit 26,38%.
Das bedeutet: Meine Tabelle ist etwas geschönt. Bei sechs Prozent Rendite sieht die Rechnung wie folgt aus:
- Ausgeschüttet werden 1.800 Euro.
- Die ersten 801 Euro sind steuerfrei, 999 Euro müssen versteuert werden.
- 26,38% von 999 Euro sind rund 264 Euro.
- M. bleiben noch 1.536 Euro. Davon überweist er 300 Euro an den Honorarberater.
- M. bleiben 1.236 Euro. Das entspricht einer Fast-Netto-Rendite (Inflation muss noch runter) von 4,1%.
Renditefazit
"Er investiert aber zu 100% in aktiv gemanagte Fonds, die eben eine recht hohe Kostenquote haben."
Wenn die Kostenquote des Fonds 1,85% beträgt (Quelle: Morningstar, durchschnittliche Kostenquote aktiv gemanagter Aktienfonds), dann muss der Fondsmanager eine Rendite von knapp 8% erwirtschaften, damit nachher gut 4% bei M. ankommen.
Zum Vergleich: Wenn man etwas recherchiert kommt man - ja nach Quelle - auf jährliche Rendite für den MSCI World zwischen 6% und 8%. Diese Zahlen sind abhängig von Haltedauer und Einstiegszeitpunkt.
Mir geht es hier auch weniger um die konkrete Nachkommastelle, sondern ich möchte zeigen: Ein aktiver Manager, der jahraus, jahrein 8% Rendite abliefern muss, bewegt sich am der Obergrenze des Renditespektrums.
Er darf nicht viel falsch machen. Er muss in guten Jahren mitnehmen, was geht und in schlechten Jahren die Talfahrt begrenzen. Wir wir wissen, geht das in 90% aller Fälle irgendwann schief.
Für M. bedeutet das: Hohes Risiko bei nur sehr mittelmäßigen Renditen.
Was tun?
Den Honorarberater zum Teufel jagen, ist doch klar!
Da sage ich: "Halt, stopp, nicht gleich lynchen!"
Lassen Sie uns doch erst einmal das Verfahren Feuerzangenbowle anwenden: "Da stelle mer uns mal janz dumm: Watt ist ene Honorarberater denn eijentlich?"
Ein Honorarberater hat zwei Aufgaben. Fangen wir mit der unwesentlichen an.
Die unwesentliche Aufgabe eines Honorarberaters
Ein Honorarberater bespricht mit seinem Kunden die Finanzstrategie und wählt die passenden Produkte aus.
Das ist simpel.
Warum?
Weil ein klassischer abhängig Beschäftigter doch sowieso keine Freiheitsgrade hat. Sämtliche Abzüge werden direkt an der Quelle entnommen.
- Gehalt: Sie bekommen Ihr Gehalt, wenn Ihr Arbeitgeber seinen Zahlungslauf startet. Alle Steuern und Sozialabgaben führt er direkt an den Staat ab. Ihnen wir nur das Geld ausgehändigt, das übrig bleibt.
- Zinsen, Dividenden und Kursgewinne: Auch hier überweist die Bank sofort die Quellensteuer an den Staat. Sie bekommen den Rest.
Einem abhängig Beschäftigten gehen selbst die elementarsten Möglichkeiten ab, die ein Selbständiger hat. Kein abhängig Beschäftigter kann Zahlungsströme beschleunigen oder verzögern. Das Geld kommt wenn es kommt.
Das bedeutet: Es gibt eine Einnahmequelle und die Möglichkeiten zur Steuergestaltung sind sehr eingeschränkt. Ja, die obligatorische Fahrt zur Arbeit, die 801 Euro KAP-Freibetrag und noch den einen oder anderen Porto-Pausch-Betrag, aber das war’s dann auch.
Wenn Sie wirklich wegen hoher Arzt-, Pflege- oder Betreuungskosten Geld vom Finanzamt zurück bekommen, dann ist das kein tolles Steuersparmodell, sondern soll echte Härten abfedern.
Ich behaupte: Eine grundlegende Finanzplanung für klassische Arbeitnehmer ist in 20 Minuten gemacht.
So geht’s
- Grundlegendes Budget: Einnahmen versus Ausgaben.
- Gibt es Konsumschulden oder Ausbildungsschulden? Wenn ja, schnellstmöglich abzahlen.
- Sparrate: Was geht?
- Vierköpfige Familie mit einem Ernährer: 0% - 10%
- Kinderloses doppelt verdienendes Akademikerpaar: 0% - 70%
- Selbstgenutzte Immobilie: Ja/nein?
- Wenn ja: Möglichst viel Eigenkapital anhäufen um gute Zinsen zu bekommen.
- Wenn nein: Langfristig an der Börse engagieren.
- Wenn Börsenengagement: Wie ist die Risikotoleranz? Wie starke Schwankungen werden vertragen? Danach richtet sich das Verhältnis risikoarmer zu risikobehaftetem Anteil.
Umgesetzt wird das Ganze dann mit möglichst kostengünstigen Produkten.
Sie sehen, es gibt nur zwei Schieberegler
- Sparrate
- Risikotragfähigkeit
und eine ja/nein-Entscheidung
- Wie stehe ich zur selbst bewohnten Immobilie?
Das war’s mit der Individualität. Ich weiß, das ist ein Affront, schließlich glaubt jeder, er sei so unglaublich individuell und verschieden und brauche unbedingt eine maßgefertigte Lösung.
Glauben Sie mir: Sie sehen auch in einem Anzug von der Stange gut aus.
Das ist auch der Vorwurf, den ich M.s Honorarberater mache: Warum teure aktive Fonds, wenn es ETFs auch tun?
Also doch weg mit dem Kerl?
Nein, denn jetzt kommen wir zur zweiten Aufgabe:
Die wesentliche Aufgabe eines Honorarberaters
Ich halte 95% der Finanzberater für schlecht, egal ob Honorar- oder Provisionsberater.
Warum?
Weil die meisten ihren Beruf verfehlt haben. Sie glauben tatsächlich, sie wären im Finanzbereich tätig.
Das ist Unfug, ein Honorarberater ist im Psycho-Business unterwegs.
Seine Aufgaben
Mäßigen, wenn die Börse gut läuft
Ein guter Honorarberater besteht auch nach fünf guten Börsenjahren auf der einmal festgelegten Risikoverteilung.
Er weigert sich 100% des Jahresbonus seines Kunden in Aktien zu investieren, sondern besteht auf der vereinbarten 30/70-Allokation.
Das muss man sich mal vorstellen: "Nachbar Müller hat 20.000 an der Börse gemacht und ich soll zu 70% in Tagesgeld!!! Was für ein Spacko dieser Finanzfuzzi!!"
Warum? Weil er weiß, dass Müller irgendwann 30.000 Euro an der Börse verlieren wird. Nur leider wird Müller darüber nicht so offensiv sprechen.
Ermutigen, wenn die Börse schlecht läuft
Ein guter Berater weigert sich das Depot zu verkaufen, sondern schaut mit seinem Kunden ein paar Folgen "The walking Dead", damit der mal sieht, das auf der nach unten offenen "Snafu-Skala" noch viel Luft ist.
Das muss man sich mal vorstellen: "Mein Depot zerrinnt mir unter den Fingern und der Idiot lädt mich zu einem Streaming-Abend ein!!!"
Warum? Weil er weiß, dass es immer ein Licht am Ende des Tunnels gibt. Manche Dinge muss man einfach aussitzen. Ablenkung hilft.
Der Honorarberater als Coach
Natürlich war Kloppo fachlich auf dem neusten Stand. Aber er hat den BVB nicht deshalb zu Ruhm und Ehren geführt, weil er so ausgefuchste Trainingsmethoden drauf hatte, sondern weil er wusste,
- wann er an der Seitenlinie Amok laufen musste
- und wann es an der Zeit war, einen Spieler einfach mal in den Arm zu nehmen.
Genau das erwarte ich auch von einem Honorarberater
- Fachlich auf dem neusten Stand. Bezogen auf M.s Berater deshalb die Frage: Weshalb teure aktive Fonds?
- Einfühlsame Härte beim managen des Kunden, nicht seines Depots!
Was darf das kosten?
Auf jeden Fall mehr als 300 Euro pro Jahr. Ein Berater, der seinen Kunden davon abhält, bei 50% Verlust zu verkaufen, erwirtschaftet eine Rendite, die keine andere Assetklasse jemals erreicht.
In M.s Fall wären das 15.000 Euro. Wenn wir mit aggressiven 4% Netto-Rendite pro Jahr rechnen, braucht M. 18 Jahre, um diesen Verlust wieder aufzuholen.
Dazu wird es aber nicht kommen. Jemand, der das Schlachtfeld mit solchen Verlusten verlässt, kommt nicht zurück.
Das bedeutet: Lebenslänglich Tagesgeldzinsen und die 15.000 Euro werden abgeschrieben.
Das Problem
Für Vermögen unter 100.000 Euro rechnet sich das für beide Seiten nicht. Juristen auf Sachberaterebene verlangen für eine Beratung im Bereich Finanzen zwischen 250 Euro und 300 Euro. Partner verlangen bis zu 420 Euro pro Stunde.
Wenn ein Honorarberater 100 Euro pro Stunde abrechnet, ist das ein sehr moderater Preis, der aber
- nur drei Stunden pro Jahr an Beratung bedeutet
- M. trotzdem die Rendite ruiniert.
Vielleicht sollte M.s Berater mal auf ETFs umstellen und dann teilt man sich die Ersparnis.
Meine Faustregel:
- Bis 100.000 Euro muss man alles selbst machen
- Bis 250.000 Euro sollte man alles selbst machen
Na toll, Finanzwesir, aber davon geht das Psycho-Problem doch nicht weg! Ich steh’ immer noch alleine da und muss dem Sturm trotzen.
Was tun?
Mir fallen zwei Strategien ein:
- Gnadenlose Mediendiät. Das ist der erste Artikel nach einer dreiwöchigen Urlaubspause. Drei Wochen nichts über Flüchtlinge, ISIS-Terror, Wahlen in den Bundesländern, Stand der Bundesliga… Und was soll ich sagen: Die Welt dreht sich weiter, auch wenn der Finanzwesir nicht zuhört. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.
- Gründung von Selbsthilfegruppen. "Guten Tag, ich bin der Albert und ich habe immer das Verlangen die neuste Finanz-Innovation zu kaufen." Sehr erhellend war hier das erste Lesertreffen in Hamburg. Jeder, aber wirklich jeder, mit dem ich sprach hatte Leichen im Keller! Da war diese Mega-Aktie aus den Zeiten des neuen Marktes, die natürlich nur nach oben gehen konnte und jetzt bei 0,11 Euro steht. Oder der Knock-out-Schein, der Wort gehalten hat und seinen Käufer sauber auf die Bretter geschickt hat. Wie ich schon in meinem Manifest geschrieben habe: "Reden hilft!" Geteiltes Leid ist halbes Leid.
Fazit
Selbst machen ist preiswert, erfordert aber Willensstärke bin hin zur Arroganz. Honorarberater können helfen, müssen aber das richtige Selbstverständnis haben und ins Budget passen.
Die Lösung könnte so aussehen:
- Das Geld wird von einer industrialisierten Vermögensverwaltung gemanaged.
- Der Berater managed den Kunden.
Die Vermögensverwaltung wird industrialisiert
Wie ein Sack Zucker wird sie dadurch zur preiswerten Commodity.
Industrialisiert bedeutet: Es gibt Normen und Prozesse, die für ein Produkt von definierter Art und Güte sorgen. Genau definierte Fließbandqualität eben. Ich weiß vorher, was ich bekomme.
Das Geld wird hier durch optimierte Prozesse und die schiere Masse verdient.
Die Rolle des Honorarberaters
Der Honorarberater ist Händchenhalter, Psycho-Coach, Welterklärer, whatever… Die Aufgabe als Lotse nützt dem Kunden und kann deshalb auch in Rechnung gestellt werden. Der Honorarberater muss keine Zeit mehr mit der Vermögensverwaltung vertrödeln, sondern kann er sich ganz auf das Gespräch mit mir, seinem Kunden konzentrieren.
Wer das alles nicht will, kann sich immer noch alleine auf den Weg machen.
Und was ist mit M.?
M. muss sich überlegen, wie er die beiden Funktionen eines Honorarberaters gewichtet und wie er die Qualität der Arbeit bewertet. Wie viel Sicherheit vermittelt ihm sein Honorarberater für 300 Euro?
Wenn der "gefühlt teure" Berater M. vom Verkauf in Krisenzeiten abhält, sind die 300 Euro eine sehr preiswerte Versicherungsprämie.
Wenn ich für 300 Euro pro Jahr nur mit dem Anrufbeantworter plaudern darf, mach ich’s selbst.