Kennen Sie Skinner?
Burrhus Frederic Skinner wurde 2002 in der Fachzeitschrift Review of General Psychology als der bedeutendste Psychologe des 20. Jahrhunderts bezeichnet.
Herr Skinner ist der Erfinder der nach ihm benannten Skinner-Box. Im Groben läuft das so ab:
- Tier kommt in Käfig (die Skinner-Box). B. F. Skinners Lieblingstiere waren Tauben.
- Tier muss etwas tun (Hebel drücken, auf eine markierte Fläche picken)
- Wenn Tier das Gewünschte tut, gibt’s eine Belohnung.
Das Tier erkennt ein Muster: "Wenn ich das tue, passiert jenes". Die Wissenschaftler nennen das "operante Konditionierung".
Schön, was geht’s mich an. Bin ich eine Taube, lebe ich ein einem Käfig?
Kommt gleich.
Wir erinnern uns: B. F. Skinner war nicht irgendein Heini, sondern gilt als der bedeutendste Psychologe des 20. Jahrhunderts.
Skinner hat sich eines Tages gedacht: "Was passiert eigentlich, wenn ich der Taube einfach so alle 15 Sekunden Futter in den Käfig schütte?"
Ja, was soll schon sein, Taube im Schlaraffenland - nix tun, trotzdem Futter abgreifen. Taube hockt vor Futteröffnung und schnappt sich alle 15 Sekunden ein Leckerli.
So hat der gute Skinner sich das gedacht.
Was haben die Tauben gemacht?
Sie sind in Hysterie verfallen. Sie entwickelten wirre Rituale, mit denen sie die Zwischenzeit überbrückten: Manche stolzierten herum und machten zwischendurch Umdrehungen, andere hielten ihren Kopf in
eine der oberen Ecke des Kastens, dritte nickten mit dem Kopf, als wollten sie
einen Ball treffen und wegschleudern.
Skinners Interpretation
Die Tauben verbinden die Bewegung, die sie gerade ausführen, als das Futter zufällig in der Öffnung erscheint automatisch mit der Belohnung. Deshalb führen sie diese Bewegung in Zukunft häufiger aus.
Damit war die Wahrscheinlichkeit größer, dass die Tauben auch bei der nächsten Futterladung wieder diese typische Bewegung machten und nun erst recht "glaubten", ihr Verhalten habe das Futter auftauchen lassen.
Jetzt kommen Sie als Anleger ins Spiel
Durch Konditionierung verbinden Menschen und Tiere Vorgänge, die eigentlich nicht in einem ursächlichen Zusammenhang stehen.
Menschen brauchen Muster. Deshalb neigen wir dazu, hinter einer Kette von Ereignissen Zusammenhänge zu sehen. Wenn wir uns einmal für eine Hypothese entschieden haben, tun wir alles, um die Gültigkeit dieser Hypothese zu bestätigen.
Der amerikanische Psychologe Stuart Vyse schildert in seinem Buch "Die Psychologie des Aberglaubens" ein Experiment, das einen weiteren Aspekt des Aberglaubens erklären kann.
Er ließ Studenten des Connecticut College in New London im US-Bundesstaat Connecticut an einem Videospiel teilnehmen, bei dem auf dem Bildschirm ein Gittermuster mit fünf mal fünf Kästchen zu erkennen war und in der Ausgangssituation links oben ein Kreis ruhte. Dieser Kreis ließ sich mithilfe zweier Tasten nach rechts und nach unten bewegen. Aufgabe der Versuchsteilnehmer war es, den Kreis so durch das Gittermuster zu bewegen, und möglichst viele Punkte zu erzielten.
Die Studenten hatten keine Ahnung, welche Bewegung einen Treffer auslösen würde. Sie mussten das selbst herausfinden. In einem Durchgang des Experimentes erhielten die Teilnehmer Punkte, sobald der Kreis sich in den unteren drei der fünf Reihen bewegte, was die Probanden auch recht schnell durchschauten.
Als in anderen Versuchen jedoch die Punkte rein zufällig verteilt wurden - also nichts mit den Bewegungen des Kreises auf dem Bildschirm zu tun hatte - geschah etwas Merkwürdiges:
Die Studenten begannen, wilde Theorien darüber aufzustellen, wie das Spiel funktionieren würde.
"Man muss ganz bestimmte Kästchen treffen, die von Versuch zu Versuch wechseln, so dass man nie genau weiß, welche es sind", sagte einer. Ein anderer glaubte, man müsse bestimmte Felder vermeiden, und eine Studentin war überzeugt davon, die Tasten für die Steuerung des Kreises müssten ganz langsam gedrückt werden.
Interessant ist auch, wie die Studenten ihre Misserfolge deuteten, wenn sie sich getreu ihren Hypothesen verhielten und dennoch nicht mehr Punkte erzielten.
Dann zweifelten sie nicht etwa an ihrer Vorstellung, wie das Spiel funktionierte, sondern glaubten, sie hätten Fehler beim Spielen gemacht. Als die Versuchsleiter den Probanden offenbarten, dass die Punktvergabe in Wahrheit zufällig erfolgt war und ihre Überlegungen nicht stimmten, waren die meisten sehr überrascht und konnten es kaum glauben.
Außerdem neigen abergläubischen Vorstellungen dazu, beibehalten zu werden und sich selbst zu verstärken.
Wenn bei Naturvölkern der Medizinmann einen kranken Stammesangehörigen trotz Geisterbeschwörung nicht heilen kann oder der Regentanz keinen Regen bringt, dann zweifeln die Menschen nicht etwa an der Magie als solcher, sondern suchen nach Erklärungen für das Versagen:
Vielleicht ist der Schamane unfähig oder böse Geister haben ihre Finger im Spiel gehabt?
Wird der Kranke aber wieder gesund oder es regnet dann doch, sehen die Menschen einen eindrucksvollen Beweis für die Macht der übernatürlichen Kräfte, der lange in ihrer Erinnerung bleibt.
Passiver versus aktiver Anleger
Der passive Anleger hockt stur vor der Futterrinne und wartet auf die Ausschüttung, die so sicher wie das Amen in der Kirche ist.
Der aktive Anleger führt seine Veitstänze auf und glaubt mit seinem abergläubischen Excel-Gerechne irgendwelche Muster und Kausalitäten entdeckt zu haben.
Deshalb ist passives Anlagen auch viel schwieriger als aktives Anlegen. Einen Hund müssen Sie auch erst ausbilden, damit er einem Ball nicht hinterher springt, sondern ruhig sitzen bleibt.
Genau so müssen Sie sich als passiver Anleger das menschentypische Verhalten: "Da, da, ein Muster! Ich muss reagieren!" abtrainieren, denn:
Es gibt kein Muster. Da ist nichts.
Fazit
Nicht nur Tauben, auch der Homo sapiens ist ein zwanghafter Musterkenner. Stehen Sie doch mal auf und schauen Sie in den Himmel. Ich garantiere: Sie sehen keine Wolken, sondern Drachenköpfe, Flugzeuge und was weiß ich nicht noch alles.
Denken Sie an die tanzenden Tauben des B. F. Skinner, wenn Ihnen mal wieder einer weismachen will, er hätte Muster in den Märkten entdeckt.