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Geburt und Tod eines ETF

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Leser M. hat einen ETF-Sparplan und schreibt mir empört:

"Heißt das jetzt, dass mein Broker meine Order am Sekundärmarkt ausführt und nicht über die KAG abwickelt wie suggeriert wird?"

  • Werden hier wieder die Privatanleger ausgebootet?
  • Was ist dieser Sekundärmarkt? Eine Art Rudis Resterampe für leicht angegammelte ETFs?
  • Wenn es einen Sekundärmarkt gibt, muss es doch auch einen Primärmarkt geben. Wer handelt dort?

Die Klärung dieser Fragen ist eine Mission auf Leben und Tod. Wir gehen den Fragen nach:

  • Wie entstehen ETF-Anteile
  • Wie lösen sich ETF-Anteile auf?

Antwort:

  • Sie entstehen durch Creation.
  • Sie verschwinden durch Redemption.

Creation & Redemption? Schön euch kennengelernt zu haben, aber wie funktioniert ihr genau?

Dazu kommen wir gleich. Erst ein kleiner Exkurs zum Thema

Wie werden ETFs gehandelt?

Sie wollen den MSCI World Core von iShares kaufen. Sie loggen sich bei ihrem Broker ein, geben die Verkaufsorder ein und kurze Zeit später bucht der Broker die Stücke in Ihr Depot ein.
Bei einer Verkaufsorder geht das Ganze rückwärts aber ebenso problemlos.
Da stellt man sich doch die Fragen:

  1. Mit wem handele ich eigentlich? Wer kauft meine ETFs und wer verkauft sie mir?
  2. Wie nennt man diesen Markt?

Sie handeln entweder über eine Parkettbörse (beispielsweise Stuttgart, Hamburg, Frankfurt), über das elektronische Handelssystem Xetra ober über den Direkthandelsplatz ihres Online-Brokers.
Egal wo Sie handeln: Ihr Partner ist in jedem Fall ein Broker, der Angebot und Nachfrage zusammenbringt, die Trades abwickelt und dafür Gebühren kassiert.
Die Aufgabe dieses Brokers ist es, die Liquidität des ETF-Marktes zu gewährleisten. Der Broker stellt sicher, dass ETF-Anteile problemlos den Besitzer wechseln können. Deshalb nennt man ihn auch Market Maker. Er "macht" den Markt.
Es kann auch nicht jeder daherkommen und sich Market Maker nennen. Jeder ETF-Anbieter hat seine eigene Armee von Market Makern unter Vertrag. Blackrock beispielsweise schreibt auf der Web-Site:

"iShares works in partnership with more than 50 market makers across Europe."

Diese Market Maker sind reguliert und verpflichtet immer Preise zu stellen. Diesen Markt, auf dem ETF-Anteile den Besitzer wechseln nennt man Sekundärmarkt. Der ETF-Anbieter tritt in diesem Markt nicht auf. A handelt mit B und der Broker vermittelt.
So kennen wir das auch von Aktien. Wenn ich Ihnen 30 BASF-Aktien abkaufe, haben die Ludwigshafener damit nichts zu tun.

Wie werden 100.000 ETF-Anteile gehandelt?

Was passiert, wenn ich 10.000, 50.000 oder gar 100.000 Anteile kaufen möchte? 100.000 Anteile kosten rund 3.810.000 Euro. Das ist kein Portokasse mehr, das ist eine Frage auf Leben und Tod.
Was passiert jetzt? Ich will 100.000 Anteile des World-Core kaufen, der Sekundärmarkt gibt aber nur eine ETF-Liquidität von 10.000 Verkäufen her.
Muss ich mir die 100.000 jetzt über einen Monat zusammenstoppeln? Nein, ich gehe zu einem sogenannten AM (autorisierter Marktteilnehmer) und lasse meine 100.000 Anteile dort produzieren.
Hä, wie jetzt? Produzieren, einfach so aus dem Nichts?
Nein, nicht aus dem Nichts, sondern nach den strengen Regeln des Primärmarktes. Wir haben jetzt den Marktplatz gewechselt und befinden uns nun auf dem Primärmarkt. Der Primärmarkt ist gleichzeitig Kreißsaal und Friedhof. Hier entstehen ETFs und hier vergehen sie.
Ok, Finanzwesir, jetzt mal Schluss mit der ganzen Poesie, was hat es mit den strengen Regeln des Primärmarktes auf sich?

Auf dem Primärmarkt tauschen die autorisierten Teilnehmer Wertpapier- oder Cashkörbe gegen ETF-Anteile und wieder zurück. Ein autorisierter Teilnehmer ist ein Broker, der als Vertragspartner des ETF-Anbieters das Recht hat, direkt ETF-Anteile zu zeichnen und zurückzunehmen.

Ok, wie komme ich jetzt an meine 100.000 Anteile?

Der AM gibt sie mir. Er hat einen Aktienkorb an den ETF-Anbieter übergeben und dafür 100.000 ETF-Anteile erhalten, die er dann an mich verkauft.

Wo hat der AM die Aktien her? Die kauft er an der Börse. Deshalb ist es wichtig, dass der ETF einen marktbreiten Index abbildet. Die Aktien, die im MSCI World enthalten sind, sind sehr liquide.
Schauen wir uns die ersten fünf Positionen an

Firma Anteil Handelsvolumen am 11.7.2016
APPLE 1,65 % 24.000.000
MICROSOFT 1,22 % 22.000.000
EXXON MOBIL 1,19 % 10.900.000
JOHNSON & JOHNSON 1,02 % 7.200.000
AMAZON COM INC 0,92 % 3.800.000

Aus diesem Strom kauft sich der autorisierte Marktteilnehmer den benötigten Aktienkorb zusammen.
Wie genau ist der Aktienkorb zusammengesetzt? Schauen wir uns den iShares Core MSCI World (WKN A0RPWH) einmal genauer an.
Per 11. Juli 2016 schreiben wir diese Daten von der iShares-Web-Site ab:

Position Wert
Fondsvermögen 6.624.723.765 US$
umlaufende Stücke 157.927.755
Apple-Anteil am Fondsvermögen 1,65 %
Apple-Kurs 97 US$
Anzahl der Positionen 1.611

Jetzt ein bisschen Dreisatz

Position Wert
Wert eines ETF-Anteils 41,95 US$
Apple-Anteil in 1 ETF-Anteil 0,69 US$
Apple-Anteil in 100.000 ETF-Anteilen 69.200 US$
Zu kaufende Apple-Aktien für 100.000 ETF-Anteile 714

714 Apple-Aktien entsprechen 0,3% des täglichen Handelsvolumens der Apple-Aktie. Das bedeutet: Die Erschaffung von 100.000 neuer ETF-Anteile im Wert von knapp 4,2 Millionen US$ beeinflusst die Börsenkurse der enthaltenen Aktien nicht im geringsten.
Das Ganze müssen wir noch für die restlichen 1.610 Positionen durchziehen. Dann ist unser Aktienkörbchen wohl gefüllt und wir können es bei Blackrock gegen 100.000 ETF-Anteile eintauschen.

Für uns wichtig

  1. Dieses Verhältnis ist fix und vollkommen unabhängig vom Kurs des ETFs oder der einzelnen Aktien.
  2. Nicht jeder Hans und Franz kann daher kommen und Arbitrage betreiben: "Guck mal Blackrock, da sind ein paar Apple-Aktien ganz billig vom Laster gefallen, kann ich bitte dafür ETF-Anteile haben." Blackrock
    1. akzeptiert nur vollständige Aktienkörbe
    2. nimmt diese Aktienkörbe nur von autorisierten Marktteilnehmern, mit denen ein Vertragsverhältnis besteht entgegen.

Bonus-Frage: Wie ist das bei swappenden ETFs

Auch hier gibt es ein festgelegtes Umtauschverhältnis. Entweder Geld gegen Ware oder ein Aktienkorb, der aus den Aktien des ETF-Trägerportfolios besteht. ETF-Anbieter und autorisierter Broker einigen sich auf die Konditionen.
Egal ob Replizierer oder Swapper, der Geburtsprozeß läuft für jeden ETF so ab.

Der Redemption-Prozeß

Wenn ein ETF wieder in seine Einzelteile zerlegt wird, nennt man das Redemption. Hier läuft alles rückwärts ab.

  1. Ich als Großanleger verkaufe meine 100.000 Anteile an den autorisierten Partner.
  2. Der autorisierte Broker gibt die 100.000 ETF-Anteile an Blackrock zurück und bekommt dafür entweder Geld oder einen Aktienkorb.

Auch die Redemption ist unabhängig von der Replikationsmethode.

Warum machen die das?

Damit sorgt der ETF-Anbieter dafür, dass sich eine starke oder schwache Nachfrage für einen ETF nicht auf dessen Marktkurs auswirkt.
Steigt die Nachfrage nach ETFs, werden neue Anteile kreiert, sinkt die Nachfrage werden ETF-Anteile eingezogen. So bleibt der Kurs des ETFs immer nahe am Nettoinventarwert, auch NAV genannt.
Der NAV wird einmal täglich nach Börsenschluss von der Depotbank des Fonds berechnet. Er setzt sich aus allen Vermögensgegenständen abzüglich aller Verpflichtungen des Fonds zusammen. Durch ihn wird der Wert eines Anteilscheins bestimmt.

NAV/umlaufende Stücke = Wert eines Anteilscheins

Einmal täglich reicht in der Praxis nicht aus, schließlich ändern sich die Aktienkurs auch laufend. Deshalb steuert der autorisierte Marktteilnehmer Creation & Redemption während der Handelszeit fortlaufend über den iNAV (indikativer Nettoinventarwert).
Der iNAV gibt den laufenden Wert des Fonds (eines Fondsanteils) wieder. Es wird das aktuelle Fondsvermögen auf der Basis laufend aktualisierter Kurse der Einzelpositionen im Fondsportfolio (einschließlich der Barmittel) durch den Market Maker ermittelt.
Das so berechnete Fondsvermögen geteilt durch die Zahl der im Umlauf befindlichen Fondsanteile ergibt den iNAV-Wert.

Wann setzt der Creation & Redemption Prozess ein?

Nur wenn es zu einem echten Überhang kommt. Erst einmal sinken und steigen die Kurse des ETFs mit den Kursen der enthaltenen Aktien.
Die Broker versuchen zuerst Angebot und Nachfrage auf dem Sekundärmarkt auszugleichen. Erst wenn der Sekundärmarkt kein Nullsummenspiel mehr ist, weil frisches Geld hinzukommt oder Anleger im Crash von Aktien-ETFs in deutsche Staatsanleihen umschichten, kommen Creation & Redemption in Gang.

Fazit

  1. Nur die Geburt und der Tod von ETF-Anteilen wirkt sich auf den Aktienmarkt aus.
  2. Zielgruppe sind die institutionellen Anleger. Der ETF-Anbieter möchte ihnen mit Hilfe der Market Maker einen liquiden und berechenbaren Mark bieten. Kein Profi mag es, wenn ein ETF-Anteilsschein auf einmal viel mehr oder viel weniger wert ist, als sein Anteil am Nettoinventarwert des Fonds.
  3. Deshalb nimmt der ETF-Anbieter bestimmte Broker unter Vertrag und baut mit ihnen den geschlossenen Creation & Redemption Prozeß auf.
  4. Man braucht - zumindest bei den marktbreiten ETFs - erstaunlich wenige Aktien pro Position um eine erhebliche Menge an ETF-Anteilen zu generieren.

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