So, jetzt nachdem das mit diesem Buch endlich durch ist, meldet sich der Finanzwesir zurück. Zum Aufwärmen mit einem bunten Strauß klassischer Anlegerfragen.
Lassen wir Leser M. zu Wort kommen
Ich bin jetzt 24 und habe mittlerweile seit über einem Jahr einen ETF-Sparplan auf den MSCI-Welt.
Seit ebenfalls etwas über einem Jahr bespare ich auch den DWS Top Dividende. Meine Bank hatte es mir empfohlen und ich hatte mich von der Dividende locken lassen; der Fond gilt ja als dividendestark.
Mittlerweile habe ich mich aber gegen den aktiven Fond entschieden, weil die laufenden Kosten eben doch meine Rendite auffressen. Problem: Der Kurs steht im Minus im Vergleich zu meinem Einstiegszeitpunkt. Und zwar um knapp 10 € pro Anteil.
- Was soll ich tun? Hältst du es für sinnvoller, abzuwarten, bis der aktive Fond mit Gewinn an die Fond-Gesellschaft zurückgegeben werden kann, um dann mehr in den ETF einzuzahlen? Oder ist es sinnvoller beim aktuellen leicht negativen Stand zu verkaufen, um jetzt mehr und früher in den ETF einzuzahlen, als es sonst möglich wäre?
- Wie sinnvoll ist es zwei Depots bei zwei verschiedenen Banken zu führen?
- Ein Bekannter hat erzählt, dass er sich einen Kleinstkredit von 1.000 € bei ca 1% Zinsen genommen hat. Diese 1.000 € hat er jetzt zur Verfügung und kann sie beispielsweise in einen ETF einzahlen. Den Kredit zahlt er mit 28 € monatlich (auf 36 Monate) zurück (quasi als Sparplan), bloß hat er eben dann 3 Jahre länger auf der ETF-Uhr. Wie schätzt du diese Idee ein? Gut? Töricht?
Der Finanzwesir antwortet
Wissen Sie, wie der Thailänder einen Affen fängt? Er packt eine leckere Rambutan in ein kleines Kistchen. In eine Seite des Kistchens bohrt er ein Loch, dass so groß ist, dass eine Affenhand hineinpaßt.
Dann stellt er das Kistchen in die Nähe der Afffenbande und pflockt es an.
Nun heißt es warten. Affe kommt, Affe steck Hand in Kiste und schnappt sich die Frucht, Mensch nähert sich, Affe kreischt furchbar rum und haut ab.
Hä? Nee, so geht die Story nicht.
Affe kreischt rum, läßt die Rambutan aber unter keinen Umständen los, sondern zerrt wie verrückt am Kistchen, um es loszuwerden. Eine Affenfaust paßt aber nicht durch das Loch, schlauer Mensch! Das Ende vom Lied: Klappe zu, Affe tot. Und das alles, weil er etwas, das er einmal in Besitz genommen hat, nicht wieder hergeben wollte. Und das in Thailand, wo der Himmel eh voller Früchte hängt.
Ein klassischer Fall von Psychoterror: Der Ankereffekt sagt: Die Dinger waren mal x € wert. Ich verkaufe erst, wenn ich diese x wieder sehe. Ein vollkommen belangloser Referenzpunkt. Hätte M. zwei Tage vorher gekauft, wäre sein x ein y, hätte er zwei Tage später gekauft, würde er sich an sein z klammern.
Aber das kennt man ja auch vom Griechen: Die Zeus-Platte bestellen und dann: "Eher den Magen verrenkt, als dem Wirt was geschenkt."
Das ist der Endowment-Effekt: Was mir gehört, gebe ich nicht wieder her. Zumindest nicht unter Preis. Wobei der Preis vom vollkommenen irrationalen Ankereffekt diktiert wird.
Was tun?
Der DWS Top Dividende wird sofort verkauft und die Verluste werden als Lehrgeld abgebucht. Ich bin mir sicher, es gibt hier viele Veteranen, die einen Verlust von knapp 10 € pro Anteil für ein Lehrgeldschnäppchen halten. Schlimm wird’s, wenn aus Lehrgeld Leergeld wird (die Kursrakete des Neuen Marktes gibt um 98% nach….).
Ganz ohne Ironie und Zynismus: Es ist doch wunderbar, dass M. nach einem Jahr erkannt hat, dass er auf dem Holzweg ist. Das läßt sich doch mit 24 wunderbar korrigieren und spätestens mit 40 wird er amüsiert auf diesen Anfängerfehler zurückblicken.
Um noch mal den armen Affen zu bemühen: Warum krampfhaft an dem DWS-Fonds festhalten, wenn es massenweise "low hanging"-ETF-Früchte zu pflücken gibt?
Zwei Depots bei mehreren Banken
Ich huldige seit 20 Jahren dem Monobrokerismus und bin es zufrieden. Aber fragen Sie mal meinen Kollegen, den Finanzrocker, der sammelt Broker.
Ich würde einen Business-Case draus machen:
- Was kann der eine Broker besser als der andere? Gibt es Sparpläne, kostengünstige ETFs oder andere Produkte, die nur dort zu bekommen sind?
- Sind bestimmte Produkte dort besonders preiswert zu haben?
- Gibt es sinnvolle steuerliche Gründe für einen zweiten Broker? Beispielsweise Kinder-Depots?
- Möchte man diversifizieren? Einfach, weil man sein Vermögen lieber bei zwei Brokern hat, sollte es Probleme geben. Obwohl man da aufpassen muss, das kann auch eine Scheindiversifikation sein. Im Hintergrund arbeiten die doch alle mit Tradegate zusammen und lagern die Wertpapiere bei Clearstream.
- Was spricht operativ dagegen? Wie sehr steigt der Verwaltungsaufwand? Wie viele Schnittstellen muss ich bedienen?
- Wie viele Euros hole ich durch diese Optimierung wirklich in absoluten Zahlen heraus. Ein Plus von 100% ist toll, aber wenn das bedeutet: 10 € statt 5 € pro Monat, dann stellt sich die Frage: Sollte nicht das Gesamtniveau so angehoben werden, dass ein Plus von 5 € kein Grund zur Freude ist, sondern statistisches Hintergrundrauschen.
Egal ob, ein, zwei oder drei Broker: Es geht immer darum, eine gut geölte Business-Maschine aufzubauen. Jeder Broker muss dauerhaft eine spezielle Dienstleistung erbringen, sonst hat er in dieser Maschine nichts verloren.
Broker zu sammeln nach dem Motto: "Da habe ich als Neukunde einen tollen Amazon-Gutschein, eine Wurst und 5 Free-Trades bekommen", halte ich nicht für zielführend.
Margin Call - Spekulieren auf Kredit
"Diese 1.000 € hat er jetzt zur Verfügung und kann sie beispielsweise in einen ETF einzahlen."
Er kann das Geld aber auch für schöne Frauen und schnelle Autos ausgeben und den Rest verprassen. Folgende Punkte fallen mir ein
- Wenn M.s Bekannter nicht diszipliniert ist, hat er bloß Konsumschulden.
- Er muss die Börse verstehen. Es kann sein, dass er nach drei Jahren 1.008 Euro (36 * 28 €) zurückgezahlt hat, sein Depot aber nur 500 € wert ist. Hält er das dann immer noch für einen guten Deal?
Vielleicht wäre es schlauer, keinen Kredit aufzunehmen, sondern die 28 Euro einfach zusätzlich zu sparen? Das Geld ist ja vorhanden, denn sonst könnte M.s Bekannter den Kredit nicht abzahlen.
Machen wir eine kleine Rechnung auf:
Szenario 1
M.s Bekannter investiert die 1.000 € des Kredits in einen ETF. Das Geld bleibt 20 Jahre liegen. Die Kreditzinsen vernachlässigen wir.
Szenario 2
M.s Bekannter investiert für 3 Jahre monatlich 28 Euro in einen ETF-Sparplan. Danach bleibt das Geld 17 Jahre liegen.
Die langjährige Marktrendite nach Steuern sei: 4%, 6%, 8%.
Die Frage: Was bringt die Einmalzahlung? Wie hoch ist der zusätzliche Zinseszins-Anteil?
Szenario | 4% | 6% | 8% |
---|---|---|---|
Szenario 1 | 2.191 € | 3.207 € | 4.661 € |
Szenario 2 | 2.087 € | 2.974 € | 4.211 € |
Differenz nach 20 Jahren | 104 € | 233 € | 450 € |
Fazit
- Die Einmalzahlung bringt nach 20 Jahren ein Plus zwischen 100 € und 500 €.
- Bei einer Haltedauer von 30 Jahren wird sich die Schere noch weiter öffnen.
- Lohnt das den Aufwand für die Bewilligung des Kredits?
- Ist es sinnvoll, dafür eine mögliche Verschlechterung des Schufa-Scores in Kauf zu nehmen? Vielleicht wäre es besser, das Pulver trocken zu halten, um dann die wirklich guten Konditionen beim Immo-Kauf zu schießen.
- Ist das wirklich nur spekulieren auf Kredit oder doch nicht der Beginn einer Schuldnerkarriere? Lebt M.s Bekannter nicht latent über der Grenze des für ihn finanziell sinnvollen oder bin ich zu alt und konservativ?
- Zum Schluß noch die Schwarzer-Schwan-Argumentation: Es gilt sich zu wappnen gegen das extrem seltene aber extrem scheckliche Ereignis. Ist ein Plus von maximal 500 € in 20 Jahren als Prämie ausreichend, um sich heute mit einem laufenden Kredit diesem Risiko auszusetzen?
Punkt 6 wirft die Frage auf: Ich verzichte auf den Kredit. Um wie viel Euro muss ich meine monatliche Sparsumme erhöhen, um nach 20 Jahren die gleiche Summe zu Verfügung zu haben, wie mit Kredit?
Zins | Sparrate | Differenz |
---|---|---|
4% | 29,39 € | 1,29 € |
6% | 30,19 € | 2,19 € |
8% | 30,99 € | 2,99 € |
Quelle: Zinsen berechnen
In Starbucks umgerechnet ist das ein Filterkaffee venti pro Monat auf den M.s Bekannter verzichten muß - aber auch nur, wenn wir mit 8% rechnen.
Meine persönliche Meinung: Wenn ich mich der Verzicht auf einen Filterkaffee im Monat de-fragilisiert, dann ist Askese angesagt. Einen besseren Deal werde ich kaum finden.