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Leserfrage: Gold oder Aktie?

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Leser M. schreibt

Ich plage mich mit einer Frage herum die ich bislang nicht beantworten kann. Es würde mich sehr freuen wenn Sie mir helfen würden.
Sie beschrieben schon den ARERO-Fonds und ich finde ihn eigentlich als die optimale Anlage für mich.
Aber wegen der aus meiner Sicht völlig unklaren Zukunft des Euro und der EU möchte ich wissen was aus meiner Einlage im ARERO wird, wenn der schlimmste Fall eintritt?
Griechenland, Brexit, Italien und Frankreich vielleicht auch…
Am Ende könnte wegen der allgemeinen Verschuldung und der schlechten Wirtschaftslage der Euro plötzlich untergehen, Stichwort unkontrollierter Währungscrash. Meine Fragen:

  1. Sind meine ARERO Einlagen Geldwert oder Sachwert?
  2. Hätte der ARERO beispielsweise die heftigen Verwerfungen und Währungsreformen überstanden?

Alternativ würde ich in Goldbarren investieren.

Der Finanzwesir antwortet

Normalerweise hätte ich M. eine Mail geschrieben und auf den ARERO-Artikel verwiesen. Es ist der letzte Satz, der mich dazu bewogen hat, diese Leserfrage zu veröffentlichen.

Ist das jetzt ein Geld- oder ein Sachwert?

Bevor wir einsteigen noch einmal ganz kurz: Wie ist der ARERO aufgebaut?

Der ARERO-Index besteht zu

  • 60% aus Aktien, die über den MSCI Europa, den MSCI Nordamerika, den MSCI Pazifik und den MSCI Schwellenländer abgebildet werden
  • 25% aus Renten (über den IBOXX Euro Sovereign)
  • 15% aus Rohstoffen (über den Bloomberg Commodity Index Total Return 3 Month Forward)

75% des Index basieren auf der Performance von Sachwerten, 25% des Index basieren auf der Performance von Geldwerten. Als UCITS IV konformer Investmentfonds gehört der ARERO zum Sondervermögen und ist nicht Teil der Insolvenzmasse.

Soweit so schön, aber wie ist das umgesetzt? Habe ich denn tatsächlich Sachwerte im Depot?

Das finden wir heraus, in dem wir uns hier den aktuellsten Jahres- oder Halbjahresbericht herunterladen und uns die Vermögensaufstellung anschauen.

  • 93,16 % des Vermögens sind in Anleihen angelegt. Die größte Position hat einen Anteil von knapp 6%. Insgesamt umfasst dieser Posten 38 Einzelpositionen. Die Emittenten kommen alle aus Deutschland.
  • 3,37% des Vermögens besteht aus Swaps.
  • 3,52% sind Cash und Termingeld.

In Bezug auf die Swaps entnehmen wir dem Verkaufsprospekt auf den Seiten 10 und 11:

"Für Sicherheiten, die im Zusammenhang mit OTC-Derivategeschäften gestellt werden, wird grundsätzlich ein Abschlag von mindestens 2% verrechnet, z.B. für kurzlaufende Staatsanleihen mit hervorragender Bonität. Folglich muss der Wert einer solchen Sicherheit den Wert der gesicherten Forderung um mindestens 2% übertreffen und somit einen Übersicherungsgrad von mindestens 102% erreichen. Ein entsprechend höherer Abschlag, von zurzeit bis zu 33%, und ein demnach höherer Übersicherungsgrad von 133%, wird für Wertpapiere mit längerer Laufzeit oder Wertpapiere von schlechter bewerteten Emittenten veranschlagt. Die Übersicherung im Rahmen der OTC-Derivategeschäfte erfolgt in der Regel innerhalb der folgenden Spanne:
Übersicherungsgrad 102% bis 133%"

Das bedeutet: Wenn der Swap-Partner seinen Verpflichtungen nicht nachkommen kann, hat der Fonds durch die Übersicherung einen Puffer und kann die hinterlegten Sicherheiten auch mit einem Abschlag verwerten ohne Verlust zu machen.

Uns jetzt? Geld- oder Sachwerte? Was steckt im Depot?
Anleihen und Bargeld sind Geldwerte. Swaps sind meiner Meinung nach ebenfalls als Geldwerte einzustufen. Der Grund: Ein Swap ist nichts weiter als das Versprechen eine bestimmte Indexperformance zu liefern. Es werden einfach zwei Zellen im Excelsheet vertauscht. Meine Performance in Zelle A1 tauscht den Platz mit der Performance des Index in Zelle B1. Damit ist die Indexperformance meine Performance und meine Performance geht auf den Swap-Partner über.
Also alles Geldwerte. Ist das schlimm?

Welche Krisenszenarien haben wir?

Die Verwahrstelle wird insolvent

Dann greift die Sondervermögenregelung. Eine neue Verwahrstelle muss her und es geht weiter. Leser M. wird vielleicht einige Zeit nicht auf sei Geld verfügen können, bis sich der Staub gelegt hat.

Der Swap-Partner kann seinen Verpflichtungen nicht mehr nach kommen.

Dann verwertet der Fonds die Sicherheiten und kommt hoffentlich ohne Verlust aus der Sache heraus. Wenn doch, so ist der Verlust auf maximal 10% begrenzt.

Zitat Verkaufsprospekt Seite 22:

"Das Ausfallrisiko der Gegenpartei bei Geschäften mit OTC-Derivaten sowie bei Geschäften mit OTC-Derivaten, die im Hinblick auf eine effiziente Verwaltung der Portfolios getätigt werden, darf 10% des Netto-Fondsvermögens nicht überschreiten."

Wie oben bereits geschrieben: Laut Halbjahresprospekt beträgt der Swap-Anteil aktuell 3,37% des Vermögens. Da ist noch Luft nach oben.

Alles bricht zusammen

Dann sitzt der Fonds auf Rentenpapieren deutscher Emittenten und muss diese verkaufen. Wobei sich die Frage stellt: Sollten dann deutsche Wertpapiere nicht besonders begehrt sein? Anleihen werden immer dann wertlos, wenn sie nicht zurückgezahlt werden. Was ist los in Deutschland, wenn kein deutsches Bundesland mehr seine Schulden zurückzahlen kann?

Leser M. schreibt

"Griechenland, Brexit, Italien und Frankreich vielleicht auch…"
"wenn der schlimmste Fall eintritt…"

Was ist denn der schlimmste Fall? Mit solchen globalhysterischen Aussagen kommen wir nicht weiter. Was ist zu tun:

Erstens: Den Medienkonsum drastisch herunterfahren. Nach dem Brexit sollte die Welt untergehen. Was ist passiert? Nichts. Es wird einfach nur mehr Bürokratie geben und die Briten werden austreten und gleichzeitig Mitglied der EU sein. Sie wissen schon:

Dunkel war’s, der Mond schien helle,
schneebedeckt die grüne Flur,
als ein Wagen blitzesschnelle
langsam um die Ecke fuhr.

Irgendein juristisch-dialektischer Trick und den Verträgen ist Genüge getan.
Die Medien nehmen über Werbung nur die sprichwörtlichen "lousy pennies" ein und müssen deshalb aus betriebswirtschaftlichen Gründen ihre Werbeplätze maximieren. Das geht am leichtesten mit Klickstrecken und maximaler Hysterisierung.
Sie sehen eine Hundeschnauze und und die gemäßigten schreien "Wolf, Wolf", der Rest tut’s nicht unter "Werwolf, Werwolf".

Zweitens: Szenarien bilden.

  1. Was kann kommen?
  2. Wie wahrscheinlich ist das Eintreten dieses Szenarios?
  3. Wie hoch ist der maximale Schaden?

Stichwort "Schwarzer Schwan": Schauen Sie dabei eher auf den maximalen Schaden und weniger auf die Häufigkeit.

Es geht um diese Kant-Geschichte: Raus aus der selbst verschuldeten finanziellen Unmündigkeit.

Leser M. fragt:

"Hätte der ARERO beispielsweise die heftigen Verwerfungen und Währungsreformen überstanden?"

Auf diese Frage gibt es nur die "Radio-Eriwan"-Antwort: "Im Prinzip ja, aber …"
Die konkrete Antwort hängt davon ab, wie Sie die Frage beantworten: "Werden deutsche Anleihen bester Bonität von einem Zerbrechen der EU profitieren oder nicht?"
Das Spannende an den heftigen Verwerfungen ist ja, dass sie Neuland sind.

Kommen wir nun zum Goldbarren

Die Alternative Aktien versus Gold ist keine Alternative. Das ist noch nicht einmal der berühmte Vergleich zwischen Äpfeln (Large Caps) und Birnen (Small Caps), sondern der Vergleich von Äpfeln mit Lauch. Wir wechseln von der Assetklasse Obst in die Assetklasse Gemüse.
Dieses Verhalten erinnert an jemanden, der sagt: "Ich wohne auf dem Land, wenn ich einen Führerschein hätte wäre das sehr nützlich. Aber ich habe gehört, dass es so viele Unfälle gibt. Das ist mir zu gefährlich. Vielleicht lerne ich lieber Schach."

Führerschein versus Schach? Und nachts ist es kälter als draußen…

Wieso eigentlich immer Gold?

Weil Gold gut ist in der Krise. Gut, dann lassen Sie uns mal ein paar Krisenkulissen aufbauen. Schauen wir, wie sich das Gold so schlägt.
Bevor wir in die Krise starten, brauchen wir Gold. Also echtes Gold, kein Papiergold, keinen ETF auf Gold!
Dieses Gold müssen wir kaufen. Am besten schwarz und diskret zu Hause verstecken. Warum das? Lesen Sie diesen Wikipedia-Artikel über 3.000 Jahre Gold-Prohibition.

  • Altes Ägypten: Gold = heilig, da Fleisch der Götter und deshalb tabu für den gemeinen Fellachen.
  • Sparta: THIS IS SPARTA - und ab in den Brunnen. Auf den Besitz von Gold und Silber stand die Todesstrafe.
  • Kublai Khan verbot 1273 den Privatbesitz von Gold und Silber.
  • In der Neuzeit wurden ebenfalls Goldverbote verhängt. Beispiele hierfür sind in der Zwischenkriegszeit die Weimarer Republik 1923, die USA 1933 und Frankreich 1936 sowie in der Nachkriegszeit Indien 1963 und Großbritannien 1966. Noch 1973 war in über 120 Staaten der Erde der private Goldbesitz von Restriktionen betroffen.

Der echter Krisenprofi inseriert: "Kaufe Altgold, Zahngold, Bruchgold zu Höchstpreisen", zahlt bar und und gießt dann im trauten Heim seine eignen Barren. Das ist nicht bescheuert, sondern konsequent und zeigt sehr schön, warum Aktien Äpfel sind und Gold Lauch ist.

  • Warum kaufe ich den ARERO? Weil ich Geld verdienen will. => offensiv
  • Warum bunkere ich Gold? Weil nicht mein gesamtes Vermögen verlieren will. => defensiv

Die Krise, die keine ist

Mir kommt es immer so vor, als ob das Hauptkrisenszenario der Goldfreunde so aussieht: Der Euro ist aus irgendwelchen Gründen über Nacht verschwunden. Nun, dann kramen wir alle unsere Goldvorräte heraus und bezahlen eben damit. Denn die Busse fahren nach wie vor pünktlich, die Läden sind voll und das Leben geht im alten Trott weiter. Nur eben mit Goldmünzen statt mit Euroscheinen und Plastikgeld. Reden wir hier eigentlich von Krise oder einer Währungsumstellung?

Flucht

Als Flüchtiger brauche ich kleine Stückelungen. Aktuell zahlen die Profis für ein Gramm Gold rund 35 €. Die Haspa verkauft Ihnen aktuell ein Gramm für 42,70 € und kauft es dann für 33,70 zurück. Bei anderen Instituten wird der Spread ähnlich sein.
Fliehen ist teuer. Wenn Sie sich als vierköpfige Familie auf den Weg machen und mit 100 bis 200 g Gramm Gold pro Person rechnen, dann haben Sie zwischen 400 und 800 Gramm Gold dabei.
Wie stückeln Sie das? 800 Ein-Gramm-Barren oder auch einen 250g-Barren (8.750 €) oder ist das zu viel? Vielleicht doch lieber maximal 100g-Barren? Ihnen stehen die Stückelungen 1 g, 5 g, 10 g, 20 g, 31,1 g (die berühmte Unze), 50 g, 100 g, 250 g, 500 g und 1.000 g zur Verfügung.
Ich frage mich: Hat sich einer der Goldbugs mal hingesetzt und das Thema "Gold auf der Flucht" konsequent zu Ende gedacht?

  1. Wie viel Gold brauche ich denn überhaupt? In Krisensituationen ist der Tauschwert des Goldes nicht amtlich festgelegt. 50 Gramm Gold für eine Flasche Wasser ist sicherlich Wucher, aber wen stört’s. Natürlich kann man sich immer auf den Standpunkt zurückziehen: Besser zu wenig Gold, als kein Gold.
  2. Wo verstecke ich das Gold?
  3. Wie verteidige ich mein Gold? Ist Gold auf der Flucht überhaupt eine gute Idee? Macht Gold einen nicht schlicht und ergreifend zum Mordopfer?
  4. Sind ein Messer und der unbedingte Wille es auch einzusetzen nicht bessere Fluchthelfer als ein Sack Gold?
  5. Flucht bedeutet auch immer körperliche Strapazen. Sollte ich nicht lieber für 50 Euro im Monat hart in der Muckibude trainieren, statt für 50 Euro Gold zu kaufen?

Krise zu Hause

Wir haben Verhältnisse schlimmer als 1945. Ich bin Landwirt und es geht mir gut. Ich habe Weizen, Vieh und Hühner. Die Gestalten aus der Stadt bieten Gold. Ich frage mich: Wie viel Gold will ich haben? Was soll ich damit? Werde ich nicht überfallen, wenn bekannt wird, dass ich 10 Kilo Gold besitze?
Dann versteck’s doch einfach Finanzwesir.
Ja und dann? Wenn meine Töchter ein Messer an der Kehle haben, buddele ich das Gold ganz schnell wieder aus. Schon vergessen: Wir reden von einer echten Krise. Bei der 110 nimmt schon lange niemand mehr den Hörer ab.
Viel willkommener als die ganzen Gold-Fuzzis ist mir der vollkommen mittellose junge Mann, der sich gerade vorgestellt hat. Warum? Nun zum einen hat er nichts mit Medien studiert, sondern ist Ingenieur und er kann meine Biogasanlage wieder flott machen. Und zum anderen: Wer sagt schon nein zu einem potentiellen Schwiegersohn mit zwei kräftigen Armen?
Haben nicht praktische Fähigkeiten und Potential einen weit höheren Tauschwert als Gold?

Fazit

Sollte M. den ARERO kaufen?
Nein, auf keinen Fall. Wer den Kauf von Gold ernsthaft als Alternative zum Aktienmarkt erwägt, ist noch nicht reif für ein Börsenengagement. Egal ob ARERO, klassischer ETF oder der direkte Aktienkauf: Nach dem Brexit ist vor dem Italexit. Irgendwas ist immer und die Kurse schwanken dementsprechend.
Gold und Aktien sind kein entweder/oder, sondern im Rahmen einer begründeten Diversifikation ein sowohl/als auch. Das muss aber erst einmal verstanden werden.
Meine Befürchtung: Wenn M. sich am Aktienmarkt engagiert, wird er das sein, was Kostolany einmal "zitterige Hände" genannt hat. Sind die Papiere in zittrigen Händen, endet eine schlechte Nachricht im Debakel.

Die Frage ist: Wie kann M. von einem Zittrigen zu einem Hartgesottenen (auch ein Kostolany-Begriff) werden? Hartgesottene bleiben bei schlechten Nachrichten ruhig, reagieren aber auf gute Nachrichten sehr positiv.

Mein Vorschlag

  1. Ab sofort keine Finanzpornographie mehr. Statt dessen ein paar gute Bücher aus meiner Finanzbibliothek.
  2. Nachdem ein besseres Verständnis für die einzelnen Anlageklassen da ist, sollte M.
  3. Szenarien bilden und sich überlegen, wie der ARERO wohl darauf reagiert.
  4. Basierend auf diesen Erkenntnissen kauft M. dann den ARERO oder er sucht sich ein anderes Investmentvehikel oder er kauft Gold und den ARERO.

Ziemlich mühsam und nervig, aber der einzige Weg, um auch in der Krise seiner Strategie treu zu bleiben.
Wenn M. das zu mühsam ist, sollte er ein paar Tausend Euro zur Seite legen und sich einen guten Berater suchen, der es sich leisten kann ihn neutral zu beraten, weil M. ihn gut bezahlt.


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