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Leserhinweis: Der Papierkrieg mit thesaurierenden Fonds

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Leser T. schreibt

Es wird auf dem Blog oft davon gesprochen, die steuerliche Problematik zu klären. Manche sprechen davon, dass Fonds steuerproblematisch oder gar steuerhäßlich sind.
Manche sagen, dass sei ja wohl nicht wirklich ein Problem mit der Steuererklärung: Nun, was heißt das aber konkret? Auf der Web-Site der Finanz Consult wird aufgelistet, welche Unterlagen nach der Doppelbesteuerung von ausländischen thesaurierenden Fonds gefordert werden. Was hieße dies für einen Buy and hold-Ansatz über 25 Jahre für 3 ETFs bei monatlicher Besparung?

  • alle Kaufbelege: 12 Monate x 25 Jahre x 3 Fonds = 900 Kaufbelege
  • 25 Bogen KAP
  • 25 Bankbescheinigungen
  • 25 Steuererklärungen
  • Gesamt: 975 Belege

Ist das den Lesern oder Ihnen wirklich bewusst gewesen, was es heißt, einen ausländischen Thesaurierer im Depot zu halten? Ich für meinen Teil, und ich lese Ihren Blog seit 6 Monaten, war mir keinesfalls bewusst, dass es so einen Umfang hat. Ich glaube, man müsste wirklich noch einmal irgendwie darauf hinweisen. (Ist hiermit geschehen, Finanzwesir)

Nachtrag

Gestern habe ich Ihnen geschrieben. Es ging um die Anzahl von Dokumenten für drei ETFs über 25 Jahre bei monatlicher Besparung. Ich habe vergessen, dass man noch 25 Thesaurierungsbescheinigungen des Fonds beibrigen muss. Es sind also tatsächlich 1000 Dokumente für 3 ETFs über 25 Jahre bei monatlicher Besparung. Ist das nicht ein Wahnsinn?

Noch ein Nachtrag

In der Serie "Vermögensfragen" in der FAZ, findet sich unter "[Denke ich an Schäuble in der Nacht](Link hier: http://www.faz.net/aktuell/finanzen/meine-finanzen/vermoegensfragen/vermoegensfrage-die-steuern-und-die-altersvorsorge-13762383-p4.html)" das folgende Zitat

"Für Fonds könnte sich zudem die Lage noch einmal verschlechtern. Ihre Besteuerung ist bislang darauf ausgelegt, sie einer Direktanlage in Einzelwertpapieren wie Aktien und Anleihen weitgehend gleichzustellen.
Das Bundesfinanzministerium hat jetzt einen Entwurf vorgelegt, der eine europarechtskonforme Neuregelung anstrebt.
"Wie oft bei europäischen Vorgaben droht der deutsche Staat auch hier über das Ziel hinauszuschießen und die Geldanlage in Fonds schlechter zu stellen", sagt Matthias Scheifele von der Anwaltskanzlei Hengeler Mueller.
Demnach soll eine zusätzliche Besteuerung auf der Fondsebene stattfinden. Um Steuerstundungsvorteile thesaurierender Fonds auszuschließen, soll der Anleger zudem eine Vorab-Pauschale auf eine zuflussunabhängige unterstellte Regelrendite entrichten."

Was tun, fragt der Finanzwesir?

Steuern sind ein schwieriges Thema, da emotional und komplex. Ich sehe zwei Ansatzpunkte.

Strategische Vorgehensweise

Solange die Masse der Deutschen den Erwerb von Aktien als so erstrebenswert wie eine Herpesinfektion ansieht, muss sich die Politik nicht ändern.
Die Langfristaufgabe: Empfehlen Sie Blogs wie den Finanzrocker,Geldbildung, Sauerkraut & Zaster oder [Zendepot][http://www.zendepot.de] oder alle die anderen guten Blogs, die sich mit dem Thema private Finanzen beschäftigen. Sorgen Sie in Ihren Kreisen dafür, dass Aktien aus der Freakshow-Ecke herauskommen. Nur wenn Mitbesitzen kein Minderheitenprogramm mehr ist, wird sich etwas ändern. Hier hilft nur schiere Masse.
Glauben Sie mir, ich weiß wovon ich spreche. Der Jahrgang 1966 war geburtenstark, die Jahrgänge vor und nach mir auch. Wir waren immer viele. Als wir jung waren, waren die Klassen voll, dann gab´s keine Lehrstellen und nun bietet plötzlich jeder Drogeriemarkt Sehhilfen für 2,95 Euro an.

Schön Finanzwesir. Hilft mir aber jetzt in meinem konkreten Fall auch nicht so richtig weiter.
Nun, dann weiter zur

Taktische Vorgehensweise

Ich persönlich habe das Steuerthema nach vielen Irrwegen für mich persönlich so gelöst.

Einschub - da haben wir das erste Problem

Nein, nicht die Irrwege sind das Problem, sondern das Wort persönlich. Während ich guten Gewissens schreiben kann

  • Sparen ist der erste Schritt zur Vermögensbildung => gilt für alle
  • Schauen Sie sich mal ETFs als Verhikel für die Vermögensbildung an => gilt für fast alle

kann ich das bei Steuerthemen nicht. Steuerthemen sind immer höchst individuell. Familienstand, Höhe und Art der Einnahmen, Wohnort und die Planung für die Zukunft spielen eine wichtige Rolle.

Ich kann darlegen, was ich tue und warum. Aber selbst, wenn Sie mir zustimmen und meine Vorgehensweise sinnvoll finden, kann es sein, dass für Sie selbst ein anderer Weg besser ist. Das müssen Sie selbst prüfen.
Die Gegenprobe: Wenn Sie das, was ich hier vorschlage für ausgemachten Schwachsinn halten, kann es trotzdem sein, dass es für Sie das Richtige wäre.

Willkommen im Schäuble’schen Steuer-Spiegelkabinett, wo nichts so ist, wie es scheint.

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Meine Arbeitsgrundsätze

  1. Naturwissenschaftler, Ingenieure und Mathematiker verzaget. Steuern haben nichts mit Logik zu tun. Man kann sich da nichts herleiten. Versuchet nicht einen Algorithmus zu finden, denn siehe, es gibt keinen. Leset einfach was in den Schriften geschrieben steht. Steuergesetze sind keine Naturgesetze, sondern spiegeln - als Produkt erbitterter Lobbyarbeit - die aktuellen politischen Kräfteverhältnisse wieder.
  2. Aus Punkt 1. folgt: Das sind alles Kartenhäuser (Frank Underwood lässt grüßen), die jederzeit zusammenfallen können. Zwar wirft die Politik bei jeder Gesetzänderung mit der Vokabel "Vertrauensschutz" herum. Aber spätestens wenn die Babyboomer verrentet werden, ist es aus damit. Ich persönlich halte es für fahrlässig, als Buy&Hold-Anleger darauf zu setzen, dass das Pendel der Steuergesetzgebung in 20 Jahren zu meinen Gunsten ausschlägt.
  3. Wer sich einmal auf das Thema Steueroptimierung einlässt, rutscht auf einer schiefen Ebene direkt in eine Koppel voller Amtsschimmel. Das ist die operative Hölle. Erst muss man den Nippel durch die Lasche zieh’n und dann einen Antrag auf Erteilung eines Antragsformulars stellen. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen: "Vorgänge erweitern sich, um den vorhandenen Aktenordner auszufüllen." Und wenn der erste Ordner voll ist, kriegt man Post von Amazon: "Aktenordner jetzt saugünstig, nur 0,95 Euro"…

Für mich sieht die Gleichung so aus

Auf der Plus-Seite: Die gesparte Steuer. Im Fall der vollsynthetischen (swappenden) Thesaurierer ist das der Steuerstundungseffekt.

Auf der Minus-Seite: Der operative Aufwand und das Risiko einer Gesetzesänderung.

Meine Lösung: Ich nehme den Spatz in der Hand, statt die Taube auf dem Dach. Ich versuche die Prozesse einfach zu halten und denke mir bei jeder Ausschüttung "nur Bares ist Wahres".
Ich habe hier einen Hinweis auf eine Studie der Comdirect-Bank gefunden. Angeblich liegt die

"durchschnittliche Depotgröße bei 37.000 Euro."
(Stand Februar 2015)

Es stellt sich die Frage, wie viele Euros sich steuerlich einsparen lassen und ob es nicht wirtschaftlicher ist,

  • weniger auszugeben oder
  • mehr zu verdienen.

statt grimmig 50 Steuer-Euros zu repatrieren.

Ich habe in meinem Anlegerleben festgestellt, dass ich die operativen Prozesse (vulgo den Papierkram) immer unterschätzt habe. Man braucht immer länger als man denkt und dann fehlt doch noch das Formular 56/14b IVc.
Um noch einmal auf die 1.000 Dokumente von Leser T. zurückzukommen: Das ist der Stand heute. Ob das Finanzamt in 25 Jahren bereit ist, diesen Mount Everest aus Papier anzugehen ist nicht gesagt. Ein trauriges: "Aber ich habe all’ die Jahre brav für Euch gesammelt und sogar ein Kabuff im Self-Storage angemietet." gibt sicherlich Fleißpunkte aber nicht unbedingt eine Steuererstattung.

Fazit

Das ist keine leichte Entscheidung, denn Steuern sind unbestritten der Renditekiller Nummer eins. Vor allem, wenn Erträge doppelt und dreifach besteuert werden.
Es läuft darauf hinaus:

  • Wollen Sie den Kampf mit der Steuer-Hdyra aufnehmen oder
  • wollen Sie sich mit einem achselzuckenden "ein bißchen Schwund ist immer" freikaufen?

Wenn Sie den Kampf aufnehmen, müssen Sie aber auch antreten um zu gewinnen. Sonst stehen Sie am Ende mit leeren Händen da. Die Lebenszeit ist weg und keine Steuererstattung auf dem Konto.

Letztendlich eine lebenspolitische Entscheidung. Damit schließt sich der Kreis und wir sind wieder ganz am Anfang dieses Artikels (siehe strategisches Vorgehen).

PS

Ich vergaß. Es gibt noch den deutschen Sonderweg: Einfach das Geld auf dem Girokonto lassen. Wo nichts ist, muss auch nichts versteuert werden. Eine sehr elegante Art, sich das Steuerthema vom Hals zu schaffen.
Die freiwerdende Zeit kann man dann sinnvoller einsetzen, indem man beispielsweise darüber jammert, dass man ja heutzutage keine Zinsen mehr für sein Geld bekommt.


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