Leser J. schreibt
Einer meiner ETFs, der Comstage ETF110 wird nächstes Jahr auf ausschüttend umgestellt. Ich hatte bewusst alle ETFs thesaurierend ausgesucht um möglichst wenig Aufwand mit der Wiederanlage der Dividenden zu haben.
Leser A. sagt
Ich spare monatlich 450 € in 3 Brot-und-Butter-ETFs für die Altersanlage, also kaufen und liegenlassen. Alles gut. Aber jetzt wird der größte ETF in meinem Sparplan, der MSCI-World-ETF von Comstage (ETF110, ISIN LU0392494562), ab 2018 auf einmal von thesaurierend auf jährliche Dividendenausschüttung umgestellt.
Dass die so was dürfen, machen die einfach meine Anfangsfondsauswahl "kaputt". Ich vermute, das geschieht im Lichte der neuen Besteuerung ab 2018 in Deutschland – genaues weiß ich nicht. Aber was heißt denn so eine Umstellung nun für mich gerade mit dem langfristigen Anlagehorizont? So sind dann zwei von drei ETFs ausschüttend. Ich wollte aber lieber einen pflegeleichten thesaurierenden ETF, keine jährliche Ausschüttung und Kümmerei mit dem Abgeltungssteuerfreibetrag oder manueller Wiederanlage.
Leser F. hat Post bekommen
Zwei Comstage-ETFs sollen zusammengelegt werden und man hat nun die Chance seine Anteile zu verkaufen. Soll ich das tun?
Konsequenzen ziehen?
Leser J.
Mein Bauchgefühl sagt: Alles lassen wie es ist und die Kleinen beim Rebalancing als erste Verkaufen. So spare ich mir die Kosten der sofortigen Umschichtung und wirklich relevant ist der Verwaltungsmehraufwand nicht. Zumal die Wiederanlage der Dividenden auch einfach beim Rebalancing vorgenommen werden kann.
Ist das wirklich eine gute Idee oder will ich mich einfach nicht von zwei Depotleichen trennen?
Leser A.
Trotzdem weitermachen oder Grund zum Ärgern über Comstage und wechseln auf anderen World-ETF, der thesauriert?
Der Finanzwesir sagt
Egal ob Kinderzimmer oder ETF-Depot - der zweite Hauptsatz der Thermodynamik gilt immer.
"Die Natur strebt aus einem unwahrscheinlicheren dem wahrscheinlicheren Zustand zu. Der wahrscheinlichste Zustand ist immer der der größtmöglichen Unordnung."
Ludwig Eduard Boltzmann, österreichischer Physiker und Philosoph
Ein ETF ist kein Marschflugkörper. Passiv ist nicht Fire-and-forget. Passiv ist eine schlechte und ungenaue Bezeichnung für die Geisteshaltung "Indexing".
Ein Indexer
- rechnet sich seine Chancen aus, den Markt mittels Markttiming und Stock Picking zu schlagen,
- betrachtet die ihm für die Geldanlage zu Verfügung stehende Zeit
- und entscheidet sich nüchtern für kostengünstige, breitdiversifizierte Anlagevehikel.
Jeder Indexer weiß: Panta rhei - Anlagevehikel gehen manchmal kaputt oder wandeln sich. Und wer hat’s erfunden? Der alte Heraklit vor 2.500 Jahren. Seit 2.500 Jahren machen wir Pläne, nur um dann zuzusehen, wie alles den Bach runtergeht. Da hilft nur
- Antifragilität (Video mit Nassim Taleb)
- Gelassenheit
- ein gutes Glas Whisky
"Daß die sowas dürfen, machen die einfach meine Anfangsfondsauswahl "kaputt".
A.s Galgenhumor ist schon mal eine gute Reaktion. Hilft ja nichts. Trotzdem ein paar Sätze zur Einordnung: ETFs sind B2B-Produkte, die auch an Endkunden verkauft werden. Ein ETF-Abieter richtet sich immer nach den Bedürfnissen der Großkunden. Die Wünsche der Privatkunden sind vollkommen irrelevant.
Wenn steuerliche Gründe dafür sprechen, wird umgebaut. Wenn der Vertriebserfolg eher ein Mißerfolg ist, wird zusammengelegt.
Auch wenn wir in Deutschland sind: Es gibt kein Menschenrecht auf "das war schon immer so".
Was tun?
Eine klassische Friß-oder-stirb-Situation. Diese drei Optionen stehen zur Wahl
- Die Ausschüttungen akzeptieren.
- Den ETF stilllegen und statt dessen einen anderen ETF besparen.
- Umschichten: Den ETF verkaufen.
Die Entscheidung bewegt sich im Bermudadreieck
- Fakten: X € Transaktionskosten fallen an, Y € sind zu versteuern, diese Alternativen gibt es… Hier hilft Excel.
- Operative Umsetzung: Wie aufwändig ist das neue Verfahren?
- Ausschüttungen erneut anlegen oder sammeln und dann zum Rebalancing nutzen
- steuerlicher Verwaltungsaufwand
- Emotionen: Depotleichen loswerden. Ein ETF pro Index im Depot sieht straffer und gepflegter aus, als ein Depot, bei dem drei ETFs pro Index herumlungern. Oder es ist die Vorgartenmentalität? Jeden zweiten Samstag wird sämtliches Grünzeug, das zwischen den Ritzen hochkommt napalmisiert. Manchmal ist auch ok, alles zwischen 88 und 92 Grad als rechten Winkel durchzuwinken.
Wie viel "Menno" ist hier im Spiel? Ich habe mir etwas überlegt und jetzt kommt einer einer daher und schmeißt einfach alles um. Der natürliche Instinkt ist gegensteuern und die Kontrolle wieder zurückgewinnen. Wobei ketzerisch angemerkt sei: An der Börse wird man für den Kontrollverlust bezahlt.
Wenn’s keinen Kontrollverlust gibt, heißt das Ganze Tagegeld und bringt nicht viel.
Mein Vorschlag
Einmal Jedi: "Prüfe Deine Gefühle Anleger". Wie viel beleidigte Eitelkeit ist im Spiel?
Und dann die Sache erst einmal ein Jahr laufen lassen. Wenn die Ausschüttungen Ende 2018 immer noch nerven, wird umgeschichtet. Bei einem Anlagehorizont bis zur Rente (25 bis 30 Jahre) entspricht ein Jahr 3% bis 4% des Anlagezeitraums. Das kann man ja mal als Testballon investieren.
Ende 2018 wird sich auch der Steuerstaub gelegt haben. Ein ETF, der im Dezember 2018 noch thesauriert wird höchstwahrscheinlich auch noch 2020 und darüber hinaus thesaurieren. Warten wir doch erst einmal ab, ob und wie sich 2018 der thesaurierende Weizen von der ausschüttenden Spreu trennt.
Eine Überschlagsrechnung mag auch helfen, das Problem einzuordnen.
"Vor knapp zwei Jahren nach Lesen Ihres Blogs angefangen, monatlich 450 € in 3 Brot-und-Butter-ETFs zu investieren für die Altersanlage."
Leser A.
24 Monate zu je 450 € bedeutet: A. hat 10.800 € investiert. Die Ausschüttungsrendite seiner ETFs liegt zwischen 1,5% und 2,5%.
Die Abschätzung nach oben ergibt: Es geht 2018 um Ausschüttungen im Wert von 405 € (3 Jahre, 2,5% Ausschüttungsrendite). Das ist weniger als eine Monatssparrate.
Natürlich tut das dem Zinseszinseffekt etwas weh. Aber für die ersten zehn Jahre gilt: Die Sparrate macht den Kohl fett, nicht die aufgelaufenen Zinseszinseffekte. Wenn A. die 405 € (die realistisch eher 300 € sein werden) einfach am Jahresende ins Rebalancing packt, vergibt er sich nichts. Nur für den Fall, dass er Ende 2018 dann doch wieder vollthesaurierend anlegen möchte.
Wobei grundsätzlich angemerkt sei: Investieren ist wie Kinder haben. Irgendwas ist immer. Das gilt für alle Anlageformen: Egal ob Aktie, klassischer Fonds, ETF, P2P oder Crowdfunding.
Indexing ist wartungsarm, aber nicht wartungsfrei. Wartungsfrei ist nur das Tagesgeldkonto.