
Leser T. schreibt
Hätte ich vor 2013 bereits soviel gewusst über ETFs und Sparpläne; vermutlich hätte ich damals keine private Rentenversicherung abgeschlossen, sondern stattdessen gleich in ETFs investiert.
Nun zahle ich dort seit 2013 ein. Würde ich jetzt die ganze Sache abblasen, kommen dabei am Ende mindestens 3.000 Euro wenn nicht mehr Verlust dabei heraus, die man erst einmal wieder hereinholen muss.
Besser jetzt noch frühzeitig die Reißleine ziehen, schließlich wird das Versicherungsprodukt erst mit dem angenommenen Renteneintrittsalter von 67 Jahren (2052) lukrativ und ein früherer Absprung bringt noch mehr Verluste, denke ich mir dennoch?
Oder stur durchhalten, denn auch das habe ich gelernt, es ist besser etwas mit einer stoischen Konsequenz durchzuziehen, als ständig hin und her zu springen. Gilt somit doch auch für diese Art der Altersvorsorge, nicht wahr?
Der Finanzwsir antwortet
Es gibt einen Unterschied zwischen Sturheit und ein totes Pferd reiten.
Die Börse hat langfristig einen positiven Erwartungswert. Mit Aussitzen sichert sich T. mit ziemlicher Sicherheit eine langfristige Rendite zwischen 8 % und 9% pro Jahr (vor Steuern und Inflation). Krisen kommen und gehen. Auf ein böses Jahr mit minus 40% kommen wieder Jahre mit Sonnenschein und plus 20%.
Die Frage ist: Kann man das von dem Versicherungsprodukt auch sagen? Wenn das Ding so verbockt und mit Gebühren beladen ist, dass es nie auf einen grünen Zweig kommt, dann muss man es loswerden. Die Militärs nennen das Frontbegradigung, die Chirurgen Amputation. Ist nicht schön, tut weh, muss aber sein.
Das Hauptproblem: Die Psychodämonen Ankereffekt und Endowment-Effect. Beide sagen wie Gollum: "Mein Schatzzz - gib’s nicht her."
Hier hilft nur Excel. T. muss ausrechnen, was ihn die Versicherung kostet und wie hoch die Opportunitätskosten sind (eine Investition in ETFs hat eine erwartete Rendite von x% mehr).
Wenn das zu Ungunsten der Versicherung ausfällt: Weg mit dem Ding.
Da gäbe es nur eine Kleinigkeit zu beachten: Was ist eigentlich der Sinn dieser Versicherung? Warum hat T. diese Versicherung? Zyniker lebenserfahrene Menschen mögen jetzt sagen: "Damit der Verkäufer der Versicherung seine Kinder kleiden und in die Schule schicken kann." Das mag ja sein, aber welchen Nutzen soll diese Versicherung für den Mann stiften, der sie bezahlt?
- Rendite machen?
- Das Langlebigkeitsrisiko abdecken?
Wenn T. mit der gesetzlichen und eventuell einer betrieblichen Rente den Kühlschrank sicher bis an sein Lebensende füllt, dann zählt die Rendite.
Wenn T. diese Versicherung aber braucht, um mit 70 nicht nur von Nudeln und Soße zu leben, nun, dann muss er sich wohl damit abfinden: Versicherungen machen keine Rendite.
Versicherungen sind eigentlich fast immer ein Verlustgeschäft. Die 10 Leute, die 100 werden kriegen in der Solidargemeinschaft nur deshalb ihre Rente, weil 100 schon mit 60 gestorben sind.
Die haben nie das rausgekriegt, was sie eingezahlt haben. Wenn alle mehr rauskriegen wollen als sie eingezahlt haben, heißt das Ding nicht mehr Versicherung sondern Goldesel.
Fazit
T.s Aufgaben
- Rendite machen oder Langlebigkeitsrisiko abdecken? Was ist der Job dieser Versicherung?
- Wenn Rendite: Gibt es Produkte die das mit einem besseren Preis/Rendite-Verhältnis können? Wenn ja: Versicherung auflösen. Wenn nein: behalten
- Wenn Langlebigkeitsrisiko abdecken: Gibt es Produkte die das mit einem besseren Preis/Rendite-Verhältnis können? Wenn ja: Versicherung auflösen. Wenn nein: behalten
Womöglich gibt es noch einige Stellschrauben an denen T. drehen kann, um das bestehende Preis/Rendite-Verhältnis nachträglich noch etwas zu verbessern. Da hilft ein Blick in die Vertragsdokumente.