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Leserfrage: 66 Jahre alt und nichts gespart. Was tun?

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Leser H. schreibt

Ich bin sicher ein Anlegertyp, vor dem du warnst: Schaut sein gesamtes Berufsleben aufs Geld-Verdienen und vergisst darüber das Geld-Anlegen.
Jetzt, im zarten Alter von 66, kommt das große Erwachen: Was mache ich mit der (eh schon geschrumpften) Kohle von der Lebensversicherung? Wie kann es gelingen, dass vor dem Ende meines Lebens mein Geld nicht zu Ende ist?

Frage also: Gibt es auch eine Finanzwesir-Strategie für ältere Finanz-Deppen?

Der Finanzwesir antwortet

  1. Ich würde von Selbstbeschimpfungen Abstand nehmen und nach vorne blicken. "Et es wie et es", sagt man im Rheinland.
  2. Ich verweise auf Herrn Jürgens, der erkannt hat, dass das Leben mit 66 sowieso erst anfängt. Auf jeden Fall ist mit 66 Jahren "noch lang noch nicht Schluss". Wer 66 ist, kann auch noch 80 werden.

Grundsätzlich hat Leser H. zwei Hebel:

  1. Einnahmen rauf
  2. Ausgaben runter

Erste Aufgabe: Der Kassensturz

Welcher der beiden Hebel mehr bringt, zeigt der Kassensturz. In H.s Alter dürften die Renten- und Pensionsansprüche klar sein. Damit ist bekannt, wie stark die Basisgeldquellen sprudeln.
Was gibt es sonst noch? Tagesgeld, Festgeld, weitere Rentenversicherungen, Bausparverträge, Gold, Silber …?
Dann bewerten wir die Assets. Mit welchen Beträgen können wir in welchen Zeiträumen rechnen?
Womöglich dauert es, bis Festgeld frei wird, und manche Dinge lassen sich nur langsam zu Geld machen. Wir wollen einen Notverkauf verhindern und brauchen deshalb eine langfristige Strategie.
Soweit die Einnahmen und Besitztümer.

Jetzt zu den Ausgaben. Theoretisch ein mächtiger Hebel. Ausgaben lassen sich schneller senken, als man Einnahmen steigern kann. Deshalb streicht ein Krisenmanager immer zuerst die Kosten zusammen. Was bei Firmen geht, ist bei Privatleuten praktisch unmöglich, denn 40 Jahre Lebensstil-Inflation hinterlassen ihre Spuren:

"Nee, das kann ich nicht, nee, das will ich nicht. Ich bin doch kein Student mehr. Da habe ich mich in 40 Jahren dran gewöhnt. Ein alter Mann kann nicht mehr auf der Isomatte schlafen. Das ist unter meiner Würde!"

Alles richtig. Jede Kostensenkung ist ein Angriff auf das Ego. Trotzdem würde ich die Ausgaben überprüfen und mich ehrlich fragen:

  • Was muss ich (gescheite Matratze für den Rücken)?
  • Was will ich (teure, saisonal wechselnde Markenbekleidung)?

Trennen Sie die Lebensstil-Qualität von der Lebensstil-Inflation.

Wenn die Bilanz der Einnahmen und Ausgaben steht, ist bekannt: Überschuss oder Lücke. Wenn Lücke, dann heißt es handeln.

Kosten runter

Ist es möglich die Kosten so zu drosseln, dass die Lücke geschlossen wird? Das Problem hier: Wann hört man auf, überflüssiges Fett wegzuschneiden und schneidet ins Muskelfleisch?
Kosten senken geht, aber nicht unbegrenzt.

Einnahmen rauf

Ein 66-Jähriger ist ja noch nicht klapprig und senil, er kann durchaus 80 oder älter werden.
Das ist ein Zeithorizont von 15 bis 20 Jahren. Einen Teil des Vermögens würde ich deshalb in kostengünstige Index-Fonds anlegen. Wie groß dieser Anteil sein darf, zeigt die oben angesprochene Cashflow-Analyse (Einnahmen versus Ausgaben). Kostengünstig ist wichtig, denn in dem Alter schwächelt der Zinseszins. Jeden Cent, der in die Kosten geht, sieht man nie wieder.

Ich würde mit einem temporären Einbruch der Börsen von 50 % rechnen und ansonsten als Rheinländer nicht nur "Et es wie et es" sagen, sondern auch "Et hät noch immer jot jejange!"
Natürlich kann man mit 70 unglücklich stürzen, sich den Oberschenkelhals brechen und dann muss dringend der Treppenlift her und die Börse ist um 50 % eingebrochen.
Ich finde: Eine kleine Prise Optimismus darf sein.

Den Rest würde ich auf einem Tagesgeld- oder Festgeld-Konto sicher verwahren. Mein einziges Kriterium: Inflationsausgleich.

Damit wäre das frei werdende Geld aus der Lebensversicherung gut verstaut. Aber schließt das die Lücke?
Deshalb stellt sich die Frage: Was macht H. gerne? Und: Lässt sich damit Geld verdienen? Es muss ja kein Vollzeit-Job sein.
Ein paar Hundert Euro pro Monat reichen womöglich aus. Wieder gibt die Cashflow-Analyse Auskunft.

Die Lösung

Ein Mix aus

  • Kosten runter: Lebensqualität ja, Lebensstil-Inflation nein
  • Passiver Geldanlage: Inflationsausgleich, minimaler Zinseszins-Effekt und hoffentlich steigende Börsen ‒ mehr ist nicht drin.
  • Aktiver Arbeit: Nimmt mit dem Alter ab. Ein 66-Jähriger ist leistungsfähiger als ein 80-Jähriger.

sollte H. einen Lebensabend ohne Armut bescheren. Vielleicht nicht unbedingt schön ‒ wer will schon mit 66 eine zweite Karriere starten.
Aber die Augen zu verschließen ist ‒ meiner Meinung nach ‒ sinnlos. Jetzt hat H. noch Optionen, jetzt hat er noch Spielraum und kann entscheiden, was er tun will und was nicht.

Keine Lösung

Spekulieren! Man muss als 66-Jähriger akzeptieren, dass viele Spielräume, die man als junger Mensch noch hatte, jetzt verwirtschaftet und verbraucht sind. Der Zinseszins eines 30-Jährigen ist Mr. Muckibär, der Zinseszins eines 66-Jährigen kommt mit dem Rollator.
Wenn H. versucht, Rendite zu erzwingen, wird er fragil. Es kann gut gehen, muss aber nicht. Wenn es gut geht, gewinnt er ein paar Tausend Euro, wenn es schiefgeht, ist er pleite. Der Ruin ist keine erneuerbare Ressource, schon gar nicht für Senioren.
Vorrangiges Ziel muss sein: "Wie stelle ich sicher, dass am Ende des Geldes nicht noch Leben übrig ist?"

Das Hauptproblem

Auch wenn ich H. alles Gute wünsche und ihm die Daumen drücke, dass er mit dem Kurswechsel klarkommt: Ich bin nur bedingt optimistisch.
Warum?
Eine bestimmte Ausgabenstruktur führt zu einem bestimmten Lebensstil. Der Lebensstil wiederum definiert das "Milljöh".
Das gibt es die hedonistischen Partyschweine, die saturierten Selbstzufriedenen, die transzendenten Asketen und was weiß ich nicht noch alles.
Jedes Milieu pflegt ein ganz spezifisches Verhältnis zum Geld. Wenn man jetzt aus Geldmangel die Schublade wechseln muss, ist das nicht einfach. Die eine Schublade ist zu teuer und für die andere hat man nicht den richtigen Stallgeruch. Es ist ja nicht so, dass die transzendenten Asketen jetzt auf Ex-Porschefahrer gewartet haben.
Wenn junge Menschen aufbrechen und sich verändern, hat das so etwas Christoph-Kolumbus-mäßiges. Ein 66-Jähriger dagegen verkehrt seit Jahrzehnten in gewissen Kreisen und pflegt dort seine Freundschaften. Die gibt man nicht so einfach auf.
Lieber versucht man, das mit dem Geld so lange wie möglich hinzufaken. Das einzig Positive: Man kann sich nicht Überschulden, denn einem Alten gibt die Bank keinen Kredit mehr.

Mein altväterlicher Rat an die jungen Leser

Passen Sie auf, für welchen Lebensstil Sie sich mit 30 entscheiden. Es kann sein, dass Ihnen diese Entscheidung mit 60 vor die Füße fällt.
Was bringt es, wenn Sie bereit sind für Selters statt Sekt, aber Ihre Freunde und Bekannten nicht mitziehen.
Natürlich können Sie Ihr soziales Umfeld entsorgen, sich selbst neu erfinden, ein Buch schreiben und sich dann als hart aber fair in den Talkshows feiern lassen.
Nur: Ist das wirklich eine alltagstaugliche Lösung des Problems?

Fazit

Das Schlimme am "nicht gespart haben" ist weniger der Geldmangel, sondern der (Teil)-Verlust des sozialen Umfeldes.

Zum Weiterlesen

  1. Fragilität: Warum viele Depots so schlecht sind
  2. Warum niedrige Gebühren so wichtig sind: Was 1,8 % ausmachen

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