Leser T. schreibt
Seit einige Wochen beschäftige ich mit dem Thema Geldanlage zwecks Absicherung im Alter. Selbständig habe ich versucht, mir die notwendigen Informationen zusammenzusuchen, wobei ich mich bisher nie damit beschäftigt habe und daher ganz von vorne anfangen musste.
Nach einigem Hin und Her mit unnötigen Transaktionskosten sowie einem Depot-Wechsel habe ich mich nun für einen ETF-Sparplan entschieden und würde hierzu gerne Ihre Meinung wissen, ob die Rahmenbedingungen stimmig sind!
Einen Sparplan für einen aktiven Fond, den ich kurz vorher auf Empfehlung meines Bankberaters eingerichtet habe, wurde schnellstmöglich wieder beendet.
Zu meiner aktuellen Situation:
- 42 Jahre alt
- unbefristete Tätigkeit als Oberarzt im öffentlichen Dienst
- geplante Sparrate 900EUR/Monat
- Anlagehorizont 25 Jahre
- Depot bei DKB
Diese drei thesaurierenden ETFs habe ich ausgewählt.
ETF | WKN | TER | Anteil |
---|---|---|---|
iShares Core MSCI World | A0RPWH | 0,2 % | 540 € (60%) |
iShares Core MSCI Emerging Markets IMI | A111X9 | 0,18 % | 270 € (30%) |
iShares MSCI World Small Cap | A2DWBY | 0,35 % | 90 € (10%) |
Transaktionskosten: 4,50 EUR pro Monat
Ich habe diese drei ETFs gewählt, um eine möglichst breite Diversifikation zu erreichen, ohne es jedoch für einen Anfänger allzu kompliziert zu machen. Ein bisschen Arbeit wie Rebalancing darf das Portfolio auch machen.
Ich bin mir bewusst darüber, dass ich den Small-Caps-ETF nicht unbedingt hätte nehmen müssen, habe mich jedoch im Verlauf dann doch dazu entschlossen, um den Markt größtmöglich abzubilden sowie etwas "Spannendes" mit ins Depot aufzunehmen.
Meine Fragen
- Ist die Aufteilung bei der genannten Sparrate Ihrer Meinung nach soweit ok?
- Inwieweit lohnt es sich, die Transaktionskosten noch weiter zu reduzieren (z. B. zweimonatiges Sparintervall)?
Der Finanzwesir antwortet
Die Kurzversion:
Leser T. hat zwei entscheidende Hürden genommen, sich dann im Nachkommakampf verheddert und eine große Gefahr nicht thematisiert.
Die Langversion:
T. schreibt
"Nach einigem Hin und Her mit unnötigen Transaktionskosten sowie einem Depot-Wechsel…"
Was bedeutet dieser Satz? T. lässt sich nicht entmutigen, T. bleibt dran. Ausdauer - ein Charakterzug erfolgreicher Anleger. Und was die Transaktionskosten angeht: Die waren absolut nötig. Das nennt sich Lehrgeld und ohne kommt man nicht aus. Solange die Transaktionskosten nicht ruinös sind, passt alles. Wichtig: Nicht dem Effekt der versunkenen Kosten huldigen und dem Geld hinterher heulen. Rheinisches Grundgesetzt §4: "Wat fott es, es fott."
T. schreibt weiterhin
"Einen Sparplan für einen aktiven Fond, den ich kurz vorher auf Empfehlung meines Bankberaters eingerichtet habe, wurde schnellstmöglich wieder beendet."
Was bedeutet dieser Satz?
- Wenn T. neue Erkenntnisse gewinnt, dann handelt er und unterwirft sich nicht dem Besitztumseffekt. Besitztumseffekt: Das, was ich besitze ist einfach deshalb wertvoll, weil ich es besitze und deshalb gebe ich es nicht her. T. arbeitet so, wie es uns Dr. House gelehrt hat: Wenn sich die Faktenlage ändert, muss sich auch die Diagnose ändern.
- T. ist kostenbewusst.
Selber denken und auf die Kosten achten, auch das sind zwei Eigenschaften, die erfolgreiche Anleger auszeichnen.
Zwischenfazit
Die strategische Großausrichtung stimmt, aber bei der Taktik ist noch Luft nach oben.
T. im Nachkommastellenrausch
Vergleichen wir einmal T.s Auswahl mit einem simplen ETF auf den MSCI ACWI. Ich habe mich für das Produkt der Firma SPDR (WKN A1JJTC) entschieden, weil es der älteste ACWI-ETF Deutschlands ist. Und er ist ein Thesaurierer, so wie T.s ETF-Rudel.
Portfolio Leser T. | Benchmark ACWI-ETF | |
---|---|---|
Regio-Gewichtung | 17,65% Europa 49,64% Amerika 32,71 Asien |
17,79 % Europa 61,69 % Amerika 20,52 % Asien |
Anlagestil | 72,48 % Large Cap 18,35 % Mid Cap 6,97 % Small Cap 2,2 % nicht klassifiziert |
84,21 % Large Cap 14,59 % Mid Cap 0,26 % Small Cap 0,94 % nicht klassifiziert |
TER | 0,21 % | 0,40 % |
Volumen | 22.260 Mill € - MSCI World 13.288 Mill € - MSCI EM IMI 1.289 Mill. € - MSCI World SC |
1.798 Mill. € |
Alter | 25. Sept. 2009 30. Mai 2014 27. März 2018 |
13. Mai 2011 |
Ergebnis nach 113 Monaten 31.5.2011 - 31. Okt. 2020 |
23.297 € | 23.364 € |
Delta absolut | 0 € | 67 € |
Delta in % | 0 % | 0,29 % |
Quelle Morningstar Portfolio-Manager und JustETF
Die Portfolioanalyse
Wer liegt vorne?
- T. natürlich. Er hat sich Gedanken über seine Depotzusammenstellung gemacht, während der Finanzwesir einfach den erstbesten ACWI-ETF verhaftet hat. So ignorant kann man das Thema Altersvorsorge nicht angehen. Schon gar nicht bei den Summen, die hier im Spiel sind. 10.800 € - für mache ist das ein Jahresgehalt. Da muss man sorgfältig vorgehen.
- T.s ETF-Portfolio ist deutlich ausgewogener. Nur 50 % USA (Amerika = 95 % USA, 5 % Kanada) statt 62 %. Diese zwölf Prozent hat T. in Asien angelegt und profitiert deshalb von der Dynamik dieses Wirtschaftsraums.
- Auch der Anlagestil ist ausgewogener. Zwar dominieren auch bei T. die Large Caps, aber nicht so krass, wie beim ACWI. Und Small Caps hat der ACWI gar keine zu bieten.
- Die TER des ACWI ist knapp doppelt so hoch, wie bei T.s Kombi. Das alleine reicht schon aus, um jeden aufrechten DIY-Anleger in die Flucht zu treiben.
- Volumen und Alter: Gleichstand. Ja, der Small Caps ist etwas jung, aber bei der Summe, die er auf sich vereinigt, ist er safe. Der wird nicht mangels Erfolg geschlossen.
Mit anderen Worten: Alles spricht für T.s ETF-Depot - bis auf die Performance. Da liegt der ACWI vorne.
Ja, aber nur minimal und der Blick geht nach hinten. Das neue Handelsabkommen der Pazifikanrainer ist da noch nicht berücksichtigt und auch
Small Caps waren seit 2017 nicht so die Top-Performer. Da geht noch was!
Auf jeden Fall.
In unserem Beispiel haben wir den Zeitraum von 31. Mai 2011 bis zum 31. Oktober 2020 betrachtet. T.s Zeithorizont geht bis Mitte 2045. Da kann viel passieren und da wird auch viel passieren.
Aber den ACWI wird er nicht signifikant schlagen. In den letzten gut neun Jahren hat sich der ACWI einen Vorsprung von 0,29 % herausgearbeitet. Das ist ein Fotofinish. Warum soll sich das in den nächsten 25 Jahren ändern? Beide Kontrahenten legen weltweit an (23 Industrie- und 26 Schwellenländer) und setzen ganz klar auf die Dickschiffe (Large Caps).
Bei der Depotzusammenstellung sage ich ja immer: "Kein Anteil unter zehn Prozent!"
Das sieht man hier sehr schön. Ob ich null oder sieben Prozent Small Caps habe ist vollkommen belanglos.
Das bedeutet: In den nächsten 25 Jahren wird mal der eine vorne liegen und dann der andere, aber ich bezweifle, dass sich einer der beiden um mehr als ein Prozent absetzen kann. Alle Indizes werden quartalsweise an die Realität angepasst. Das bedeutet: Alle Small-Cap-Aufsteiger kommen irgendwann im ACWI an und auch Südostasien wird über kurz oder lang angemessen berücksichtigt werden.
Letztlich stellt sich die Frage: "Wat soll dä Kwatsch?"
Geht es hier um einen Geländegewinn von 0,x % oder darum nicht arm zu sterben?
Also, ist die Zusammenstellung jetzt soweit ok?
Klar. T. gefällt es. Er hat Brot&Butter und was "Spannendes". Obwohl, den Schwellenland-ETF hat er ja auch ganz keck um die Small Caps erweitert. Das ist ja fast schon "Brot, Butter & Marmelade". Und wenn er Bock auf Rebalancing hat, warum nicht. Es gibt schlimmere Laster, die man als mittelalter Mann haben kann.
Der Rendite-Vektor setzt sich aus drei Komponenten zusammen
- Die monetäre Rendite => das Übliche halt, 100 % ACWI, 70/30 World/EM oder T.s 60/30/10, alles die gleiche Grütze. Solange T. nicht mehr erwartet passt es.
- Die Wohlfühlrendite => Der IKEA-Effekt: Ich hab’s selbst zusammengebastelt, also verteidige ich es mit Klauen und Zähnen. Die wichtigste aller Renditen, denn nur wer in schlechten Zeiten zu seinem Depot steht macht Rendite. PS: IKEA-Effekt, das habe ich mir nicht ausgedacht, das gibt’s wirklich. Es ist ein Fachwort der Verhaltensökonomik. Guckst Du hier.
- Das Sozialprestige => Was sagen die Nachbarn? Hängt davon ab, wie dick T.s Fell ist. Im Falle eines Falles einfach Klappe halten und in Richtung Small Talk abbiegen.
Wenn T. es sich mit seinem Depot in diesem Bermudadreieck bequem gemacht hat, soll er doch da hocken bleiben.
Das hat T. übersehen
Noch einmal zurück Anfang: Ein 42 Jahre alter Börsenanfänger startet mit 900 Euro monatlich ins Abenteuer.
Seine Sorge: 4,50 € Kaufkosten - zu teuer?
Ein Blick ins Gebührenverzeichnis der DKB zeigt: T. bezahlt nicht 4,50 €, sondern drei mal 1,50 €. Die DKB nimmt eine Flatfee: 1,50 € pro Ausführung. In meinen Augen ein faires Angebot. Der Kaufprozess kostet einen fixen Betrag. Ob da nun 1 €, 10 €, 100 € oder 1.000 € durch die Pipeline fließen ist unerheblich.
T. kann 66 % der Gebühren sparen und einfach einen ACWI-ETF besparen. Es wird sein Schaden nicht sein.
T. kann aber genauso gut seine drei Schätzchen weiter besparen. Die Kostenquote von 0,5 % liegt tief im abnehmenden Grenznutzen.
Kaufkosten sind keine laufenden Kosten
- T. legt 540 € an und zahlt dafür 1,50 € (0,28 %) Transaktionsgebühren. Das sind einmalige Kosten, denn das Geldbündel von 540 € wird nur einmal mit diesen Kosten belastet. => kein Zinseszinseffekt
- Der ETF hat eine Kostenquote von 0,2 %. Das sind laufende Kosten, weil die 538,50 € (540 € - 1,50 €), die T. investiert hat und alle Zuwächse jedes Jahr um 0,2% verringert werden. => Zinseszinseffekt
Das folgende Schaubild zeigt, wie sich die Kaufkosten als einmalige Kosten langfristig auswirken. Ich habe mich für den S&P 500-ETF von iShares (WKN 622391) entschieden, denn er ist einer der ältesten ETFs. Wir wollen ja die Zeitreihe maximieren, um an T.s Zeithorizont heranzukommen.
Aber grundsätzlich verhalten sich alle Brot-und-Butter-Indizes ähnlich.
- Zeitraum: Mai 2003 - Oktober 2020 (210 Monate), T.s Zeitraum: 25 Jahre = 300 Monate
- Sparrate: 900 €
- Kaufkosten: 0,5 %
Volatilität | Wahrscheinlichkeit |
---|---|
+/- 1 % | 22,4 % |
+/- 2 % | 41,9 % |
+/- 3 % | 60,5 % |
Das bedeutet: Plus minus zwei Prozent pro Monat ist die normale Dünung der Kapitalmärkte. Wenn Sie den Monat mit 100 € beginnen und ihn
- mit 102 € beenden, haben Sie nichts gewonnen.
- mit 98 € beenden, haben Sie nichts verloren.
Beim MSCI World sieht das ähnlich aus, wie ich im Artikel "Mein ETF schwankt extrem" hergeleitet habe.
Absolut gesehen bedeutet das:
ohne Kaufkosten | 0,5% Kaufkosten | -2%-Schwankung | +2%-Schwankung | |
---|---|---|---|---|
Summe | 508.613,79 € | 506.070,72 € | 498.441,52 | 518.786,07 € |
Delta | 0 € | - 2.543,07 € | - 10.172,28 € | 10.172,28 € |
Delta in Monatsraten | 0 | 3 | 12 | 12 |
Durch Depot-Hopping und immer nur kostenlose Sparpläne kann T. die Kosten auf Null drücken.
Seine Upside
- Nach 132 Monaten (das sind 11 Jahre) hat er eine Monatssparrate herausgearbeitet.
- Nach 167 Monaten (knapp 14 Jahre) liegt er die zweite Monatssparraten vorne.
- Nach 210 Monaten (17,5 Jahre) ist er knapp drei Monatssparraten im Plus.
Seine Downside
Wer so konsequent auf die Kosten achtet, bezahlt anderer Stelle: Öfter man ein Depotwechsel und ein ziemliches Gewurschtel, was die ETFs angeht. Immer, wenn ein kostenloser Sparplan endet, muss T. weiter ziehen. Beim Verkauf stellt sich dann die Frage: Wurde bei den Depotwechseln der ganze bürokratische Rattenschwanz mit übergeben (Einstandskurse, schon gezahlte Vorabpauschalen…). Das Finanzamt handelt im Zweifelsfall nach dem Motto "In dubio pro Staatskasse" und berechnet die Maximalsteuer.
Wichtig: Abgerechnet wird zum Schluss. Kaufen - Halten - Verkaufen. Ob ein Investment lukrativ ist, entscheidet sich erst beim Verkauf. Ein guter Anleger betrachtet den gesamten Zyklus denkt schon bei Kauf den Verkauf mit.
Damit man in diesem Diagramm die Kurven noch auseinander halten kann, musste ich tricksen. Die grüne "Keine-Kaufkosten"-Kurve liegt "hinten" und ich drei Punkt dick. Die rote "0,5%-Kosten"-Kurve läuft "auf" der grünen Kurve und ist nur einen Punkt dick.
Zwischenfazit Kaufkosten
Egal ob 0,5 %, 1,5 % oder gar 2,5 % Kaufkosten. Die Grafik zeigt einen entspannten Rasta-Regenbogen. Weniger entspannt: Der März 2020 - mal schnell von einer halben Million auf 400.000 Euro zurück und dann wieder hoch auf die halbe Million.
In ruhigen Zeiten gehen die Sparplankosten in der normalen Dünung der Kapitalmärkte unter, im Crash sowieso.
Das Einkommen von T. hängt nicht von den Kaufkosten ab, sondern von der Tagesform der Börse. Plus minus zwei Prozent bedeutet: Eine Jahressparrate haben oder nicht und T. kann nichts dagegen tun.
Eine Katastrophe!!
Nein!
Warum?
Weil T. das Ziel "Nicht arm sterben" trotzdem erreichen wird.
Diese Sparfuchsigkeit ist kontraproduktiv. Entweder ich zermartere mir das Gehirn, wie ich 4,50 € sparen kann, oder ich bleibe gelassen, wenn sich gerade 100.000 € aus meinem Depot verabschieden. Beides zusammen geht nicht.
Fazit
T. ist auf dem besten Weg. Börsenstrategisch stimmt alles.
Sein Hauptvorteil ist die Tatsache, dass er im öffentlichen Dienst angestellt ist. Ein Selbständiger mit T.s Einkommen und seinem Lebenswandel könnte höchstwahrscheinlich nicht 900 € sparen.
Warum?
Weil seine Einkommenssituation viel volatiler ist. T. weiß heute schon, was er in einem Jahr verdienen wird. Er kann seine Liquidität viel besser planen. Deshalb kann er aggressiver investieren als ein vergleichbarer Selbständiger.
Wenn T. sich dann noch klar macht, welche absoluten Schwankungen auf ihn zukommen, kann da nicht mehr viel schief gehen.
Nach einem Jahr hat T. 10.800 Euro gespart. Sagen wir, daraus sind im November 2021 12.000 Euro geworden. Wenn dann die Börse um 30 % einbricht, sitzt T. auf Buchverlusten von 3.600 €. Mein Rat an T.: Rechnen Sie ab Ende 2021 mit möglichen Buchverlusten von 5.000 €.