Vor vielen, vielen Jahren habe ich einmal eine Kurzgeschichte gelesen, die über die Jahre immer mehr zu einem Eckpfeiler meiner Börsenüberzeugungen geworden ist.
Erste Erkenntnis
Vielseitig interessiert sein, alles mal anschauen, Erkenntnis gedeiht an den unmöglichsten Plätzen. Auch eine Kurzgeschichte aus dem Horror/Mystery/Suspense-Umfeld kann ein positives Altersvorsorge-Mindset schaffen.
Die Story
Wir befinden uns in den Anfangsjahren des kommerziellen Radios. Damals war Radio noch nicht Dudelfunk, sondern Neuland und der Textanteil war bei weitem höher.
Ein sehr beliebten Moderator dieser Zeit fesselt sein Publikum mit spannenden - hörspielähnlich aufgebauten - Horrorgeschichten an den Empfänger. Heute würde man sagen: Live-Podcast.
An einem trüben Herbstabend ist es wieder soweit: Im ganzen Land werden Stühle gerückt, Schnittchen gemacht und die Community versammelt sich vor dem leuchtenden Auge des Radioempfängers. Alle sind gespannt, was der Herr Moderator sich für diesen Abend ausgedacht hat.
Dieses Mal erzählt er von einem Monster, das im Sumpf nicht unweit vom Studio haust. Mitten in der Sendung: Schreie, Geschepper, dann Stille. Erst halten es alle für einen genialen Trick, aber irgendwann trifft dann doch die Polizei im Studio ein.
Vom Moderator keine Spur; aber die Beamten finden schlammige Fußspuren, die in Richtung Sumpf führen. Die Kollegen, die in dem Streifenwagen saßen, der etwas später eintraf, berichten von einem großen Schatten, der unter den Weiden am Rande des Sumpfes verschwand.
Was man sich so zusammenreimen konnte (Horror sind die Bilder im Kopf des Lesers - also hat der Autor nichts erklärt, sondern dem Leser nur ein paar Nebensätze hingeworfen): Wenn hunderttausende von Menschen ganz fest an etwas denken, dann entsteht dieses Etwas aus dem Nichts. Der Moderator hat - mit Hilfe der gebündelten Gedankenkraft seiner Community - das Monster zum Leben erweckt, dass dann auch prompt seinen geistigen Vater verschleppt hat.
Schön, und was hat das mit meiner Altersvorsorge zu tun?
Nun, wenn an der Börse eine hinreichend große Zahl von Menschen ganz fest an etwas glaubt, dann entsteht auch Realität aus dem Nichts. Und zwar eine Realität, die durchaus massive Konsequenzen haben kann. Minus zwanzig Prozent im Depot sind kein Spaß.
Das gefällt mir so an den Trendfolgern. Sie halten sich nicht lange damit auf, einem zu erklären, dass es keine Monster gibt, sondern sagen: "Schlammige Spuren? Verriegelt die Studiotür! Wo ist die abgesägte Schrotflinte?"
Realität ist, was die Kurstafel anzeigt.
Diese kleine Monsterstory ist mein Rettungsanker, wenn ich mal wieder den Kopf über Mr. Market schüttele.