Im Original: "Die Psychologie der menschlichen Fehleinschätzung" (The Psychology of Human Misjudgment). Eine Rede, die Charlie Munger - der Geschäftspartner von Warren Buffett - ursprünglich vor einem Publikum an der Harvard University im Jahr 1995 gehalten hat.
Das Schöne an der menschlichen Psychologie: Sie ist über Jahrhunderttausende, wenn nicht Millionen von Jahren gereift. 28 Jahre mehr oder weniger machen da nichts aus.
Herr Mungers Erkenntnisse von 1995 sind auch heute noch gültig.
Meine Erfahrung als Anleger: Wir fahren besser, wenn wir uns auf das konzentrieren, was sich nie ändert. Amphibien sehen nur Dinge, die sich bewegen. Aber Menschen sind keine Frösche - wir können auch auch Konstanten unsere Schlüsse ziehen.
1. Belohnung und Bestrafung
Unser Handeln wird durch Belohnungen und Bestrafungen beeinflusst, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht.
Fragen Sie immer: Welche Gravitationskräfte wirken gerade? Zuckerbrot oder Peitsche, Furch oder Gier.
2. Sympathie
Wir neigen dazu, Menschen und Ansichten zu bevorzugen, die wir mögen. Und machmal lassen wird dabei alle Fünfe gerade sein. Unsere Kinder sind lebhaft; die Gören der anderen vorlaute Saubratzen.
3. Abneigung und Hass
Hass oder Verachtung verleiten uns dazu Fakten zu verdrehen. Versuchen Sie, logisch und nicht emotional zu denken. Nur weil Sie etwas schlecht finden, muss es nicht falsch sein.
4. Zweifel und Vermeidung
Stress kann zu übereilten Entscheidungen führen. Bekämpfen Sie dies, indem Sie absichtlich Verzögerungen einplanen, um überlegtere Entscheidungen zu treffen. Der Klassiker: Noch mal ‘ne Nacht drüber schlafen. Für Investoren:
"Einer Straßenbahn und einer Aktie darf man nie nachlaufen. Die nächste kommt bestimmt."
André Kostolany
5. Konsequent um jeden Preis
"Das haben wir schon immer so gemacht", "Früher war nicht alles schlecht" - wir bevorzugen Beständigkeit. Auch wenn das bedeutet, dass wir an schlechten Gewohnheiten festhalten. Seien Sie sich dieser Muster bewusst, um Ihre Auswahlmöglichkeiten zu erweitern.
Ja, Sparbuch ist bekannt und sicher. Aber warum nicht mal Tagesgeld ausprobieren oder - Gott bewahre - dem EUR Overnight Rate Swap ETF mit der ISIN LU0290358497 eine Chance geben?
6. Neugierde
Die menschliche Neugier treibt Innovation und Fortschritt voran. Machen Sie sich diese Neugier zu eigen, um persönlich und gesellschaftlich zu wachsen. Mein Munger-Favorit: Neugier ist nicht alles, aber alles ist nichts ohne Neugier.
7. Kantsche Fairness
Hören Sie auf, perfekte Fairness zu erwarten; passen Sie Ihr Verhalten an die Realität der Höhen und Tiefen des Lebens an. Wenn nicht mehr als 80 Prozent drin sind, dann sind 80 Prozent eben das neue 100 Prozent.
8. Eifersucht und Neid
Diese Emotionen können das Urteilsvermögen trüben. Seien Sie sich ihrer bewusst und konzentrieren Sie sich auf logisches Denken.
9. Reziprozität
Wie Du mir, so ich Dir - uralte Regel, hat uns von der Savanne Afrikas in die Großstädte des 21sten Jahrhunderts gebracht. Aber hüten Sie sich vor Griechen, die Geschenke bringen. Manche Angebote sind trojanische Pferde. Das wusste schon Vergil und der lebte um Christi Geburt.
10. Hörensagen als Entscheidungsgrundlage
Beurteilen Sie Dinge unabhängig in ihrem aktuellen Kontext, anstatt sich auf Gedankenspiele, Assoziationen oder frühere Erfahrungen zu verlassen.
11. Schmerzvermeidende psychologische Verleugnung
Keine Vogel-Strauß-Politik: Sehen Sie der Wahrheit ins Auge, um Probleme zu bewältigen, bevor sie eskalieren. Nein, die Wirecard kommt nicht mehr zurück.
12. Übermäßiges Selbstwertgefühl
Auch wenn Sie der Sonnenkönig Ihres Lebens sind: Bescheidenheit ist wichtig, um eine Überschätzung der eigenen Fähigkeiten zu vermeiden.
13. Übermäßiger Optimismus
Halten Sie die Balance zwischen Optimismus (wer nicht wagt, der nicht gewinnt) und Pragmatismus (Risikokontrolle muss sein). Überlegen Sie zumindest kurz: "Was könnte schief gehen?"
14. Verlustschock
Keine Panik: Eine starke Reaktion auf Verluste kann das Urteilsvermögen trüben. Konzentrieren Sie sich auf die nächsten Schritte.
15. Sozialprestige
Hinterfragen Sie, ob die Menge recht hat; folgen Sie anderen in unsicheren Situationen nicht blind. Anmerkung von mir: Meiner Meinung nach das größte Übel von allem. Versuchen Sie ein Anti-Lemming zu werden.
16. Keine Vergleiche
Beurteilen Sie Menschen und Objekte individuell, nicht im Vergleich. Ein starker Kontrast kann zu Fehlreaktion führen.
17. Stress macht dumm
Je höher das Stresslevel, umso mehr müssen Sie auf Autopilot laufen. Nicht umsonst heißt es beim Militär: "Drill ist das, was im Gefecht übrigbleibt." Geben Sie dem Stressabbau den Vorrang, bevor Sie wichtige Entscheidungen fällen.
18. Leicht zu finden = es ist wahr
Die Wahrheit wird im Allgemeinen nicht auf einem Silbertablett angeboten. Holen Sie verschiedene Perspektiven und statistische Informationen ein; verlassen Sie sich nicht nur auf leicht zugängliche Informationen.
19. Training ist alles
Nutzen Sie Ihre Fähigkeiten und Kenntnisse kontinuierlich. Qualitäten, die Sie nicht permanent anwenden verkümmern.
20. Keine Drogen
Vermeiden Sie Situationen oder Substanzen, die Ihre Wahrnehmung der Realität verzerren.
21. Altersschwäche: Kann man nix machen
Das Altern ist unvermeidlich, aber ständiges Lernen kann den geistigen Verfall verlangsamen. Unschlagbare Kombi: Lebenserfahrung plus jugendliche Neugier. Auch Wissen hat eine Halbwertszeit. Wischen Sie alle zehn Jahre einmal feucht durch, um Platz für Neues zu schaffen.
22. Obrigkeitshörigkeit
Hinterfragen Sie Meinungen auf der Grundlage von Logik und akzeptieren Sie sie nicht nur, weil sie von Autoritätspersonen stammen. In keinem Bereich ist der Graben zwischen akademischen Elfenbeinturm und praktischer Anwendung größer, als in den Finanzwissenschaften.
23. Schwätzer
Schätzen Sie Ihre Zeit; schränken Sie zeitraubende Aktivitäten ein. Insta, Tik-Tok et al: Ich schaue Euch an.
24. Wer begründet, überzeugt
Die Angabe von Gründen, auch wenn sie nichtssagend sind, kann die Befolgung von Aufforderungen verbessern.
Klassisches Experiment: Lange Schlage am Kopierer, Versuchsperson drängt sich ohne Angabe vor Gründen vor: Megaschlechte Laune in der Schlage.
Runde zwei: Versuchsperson drägelt schon wieder. Dieses Mal aber mit Begründung: "Ich muss kopieren." Stimmung in der Schlange: Nicht wirklich happy, aber keine Mordlust mehr.
25. Der perfekte Sturm
Das Leben ist nicht linear. Eine Fehleinschätzung, eine kognitive Verzerrung, das mag noch angehen, das lässt sich ausgleichen. Zwei oder mehr Fehleinschätzungen, die - jede für sich - ausgleichbar sind, können in Kombination in die Katastrophe führen. Seien Sie sich komplexer Situationen bewusst.
Fazit
Das sind die 25 Punkte, die Herr Munger für wesentlich hält. Zusammengefasst: Sei kein Arschloch und achte auf Deine Gesundheit.