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Leserfrage: ETF-Sparplan oder Haus sondertilgen?

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Leser H. fragt

In der Vorstellung des Leser-Portfolio von C. ging es um den Fall von paralleler Hypothek und Wertpapierdepot. Unter dem Gesichtspunkt der Fragilität hast Du geraten, das Wertpapier (teilweise) zu verkaufen und stattdessen zu tilgen. Das ist nachvollziehbar und leuchtet mir ein.

Zu meiner ähnlichen Ausgangslage:
Männlich, 43 Jahre, verheiratet, 1 Kind (drei Jahre), zweites unterwegs, keine BU und keine RLV (gesundheitliche Gründe), Arbeitsplatz "sicher" (Großkonzern).
Einfamilienhaus: Restschuld 117.000 Euro, 10 % Sondertilgungsmöglichkeit (25.000 Euro pro Jahr).
Den Sondertilgungsbetrag für 2016 und 2017 habe ich schon zusammen gespart.
Mit meiner derzeitigen monatlichen Rate wäre ich (inklusive der Sondertilgung) zum 01.01.2018 die Hypothek los.

Meine Frage:
Wäre es sinnvoll, bereits jetzt mit einem ETF-Sparplan zu beginnen (da ich ja nicht noch mehr sondertilgen kann)?
Oder aber sollte ich ebenfalls unter dem Gesichtspunkt der Fragilität, weiter auf dem Tagesgeldkonto ansparen?
Gerade der von Dir genannte schwarze Schwan (arbeitslos, arbeitsunfähig) in den nächsten zwei Jahren ließe sich in diesem Fall zumindest teilweise vermeiden, da das zusätzlich angesparte Geld dann in die monatliche Rate gesteckt werden könnte.
Ich bin in diesem Punkt hin und hergerissen und wäre für eine Einschätzung Deinerseits dankbar.

Der Finanzwesir antwortet

Ich wünsche Leser H. und seiner Familie alles Gute! Aber ich sehe nicht, dass er einen sicheren Arbeitsplatz hat.
H. ist erst 43. Ab 50 sieht es schon anders aus. Ich kenne genug Leute, die von Konzernen ausgespuckt wurden. Vor allem, wenn man aus gesundheitlichen Gründen eh‘ schon angeschlagen ist. Irgendwann kann man das Tempo nicht mehr mitgehen und dann ist man raus.
Meine Empfehlung: Ich würde an H.s Stelle in meine persönliche Fitness investieren (Kieser oder eine andere Mucki-Bude). Es muss ja Gründe geben, warum kein Lebensversicherer H. haben wollte.
50 ist so ein Umbruchpunkt im Leben der meisten Menschen. Mit Anfang 40 geht man abends noch einen trinken mit den Jungs und wuchtet sich am nächsten Morgen aus dem Bett, dann unter die Dusche und weiter geht’s.
Mit 50 ist das nicht mehr so. Da nimmst du das Bier noch, lässt den Whisky aber weg. Leser H. hat mit 55 Jahren ein pubertierendes Gör am Hals und eines, das sich warmläuft.
Das kostet Kraft (ich weiß das, ich habe zwei meiner drei jetzt durch :-)) Ich bin mit 55 nur noch die Hälfte eines alten Ehepaares und sage: "Man reiche mir einen Enkel".

Was tun?

Lieber H.: Am 31.12.2017 kaufst du eine Magnum-Pulle Veuve Clicquot und stößt um Mitternacht mit deiner Frau auf die Schuldenfreiheit eures Eigenheims an.

Ein Familienernährer ohne BU und Risikolebensversicherung ist ein Drahtseiltänzer ohne Netz und doppelten Boden über dem Grand Canyon.
Das ist schon verwegen genug, da muss ich nicht noch mit Kettensägen jonglieren (Aktien auf Kredit kaufen).

H.s Geld gehört auf ein seriöses Festgeldkonto, dann bekommt er noch ein bisschen mehr als die Inflation.
Für ihn als Familienvater, der seine Kinder ‒ je nach Ausbildung ‒ unterstützen muss, bis er 67 ist, kommt nur der sichere Weg infrage.
Wenn er mal nicht mehr kann, muss das Haus schuldenfrei sein, damit das, was seine Frau verdient, zum Leben reicht.

H.s Familie liebt ihn sicher als Vater und Ehemann, aber sie braucht ihn auch ganz profan als Versorger.

Fazit

Ich präsentiere Ihnen diese Mail, weil Sie einen typischen Anlegerfehler illustriert:

Zu kurzer Zeithorizont

Leser H. ist 43, sein Kind ist klein, das zweite noch gar nicht geboren. Da sieht man sich nicht als Beinahe-Renter, der aber immer noch finanzielle Verpflichtungen gegenüber seinen Kindern hat.
Für Kinder und Hypotheken zahlt man in etwa gleich lange: so zwischen 20 und 25 Jahre.
Je länger man sich finanziell bindet, umso länger gibt man dem Schicksal die Möglichkeit, einen in den Hintern zu treten.
Irgendwas ist immer. Dieses "Irgendwas" muss ja noch nicht einmal schlecht sein. Nur eben anders als geplant. Wer dann gebunden ist, muss hohe Opportunitätskosten zahlen.
Ich kann Ihnen meine Lebensgeschichte so erzählen, dass Sie sagen: "Unglaublich, was für ein zielstrebiger und durchstrukturierter Mann. Logisch, dass der es im Leben zu etwas gebracht hat." Oder ich kann die Wahrheit sagen.
Die ist viel weniger glamourös, hat aber etwas damit zu tun, Optionen zu haben. Kein Fuchs bezieht einen Bau mit nur einem Ausgang.

Deshalb mein Wahlspruch: Liquidität vor Rendite. Oder wie man im Rheinland sagt: Käsch in de Täsch!

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