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Immobilien: Stefan kauft nur heruntergekommen und zentrumsnah

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Würdest Du Dich kurz vorstellen. Einige Worte zur Person und natürlich die Frage: Welche praktischen Erfahrungen hast Du seit wann mit welchen Immobilien-Typen?

Ich heiße Stefan, bin Anfang 40 verheiratet und Vater von zwei tollen Kinder.
Meine erste Immobilie habe ich zusammen mit meiner Frau vor 8 Jahren gekauft. Das Objekt unserer Begierde war ein total heruntergekommenes Einfamilienhaus in Innenstadtlage Baujahr 1888. Dieses haben wir in vielen Arbeitsstunden zusammen restauriert.
Vor drei Jahren haben wir ein größeres Mehrfamilienhaus, ebenfalls ca. 100 Jahre alt, zentral gelegen und sanierungsbedürftig, gekauft. Dieses beginnen wir jetzt Stück für Stück zu sanieren.
Unser drittes und bisher letztes Objekt haben wir erst kürzlich gekauft. Wieder alt, zentral gelegen und sanierungsbedürftig. Dies wollen wir für uns selber fertigmachen und dann unser jetziges Haus verkaufen.

Wie bist Du dazu gekommen, Dich auf Immobilien und nicht auf Aktien oder anderen Wertpapieren zu konzentrieren?

Das ist meinem beruflichen Hintergrund geschuldet. Ich habe nach Schulzeit ein paar Jahre auf dem Bau gearbeitet und anschließend Architektur studiert. Daher war klar, ich will mein Geld in dem Bereich anlegen von dem ich am meisten verstehe und was mir am meisten Spaß macht und das sind Immobilien.
Ein Aktiendepot hatte ich vor meinem Studium, habe dieses aber im Studium nach und nach aufgelöst. Ich habe durchaus vor wieder in Aktien zu investieren, jetzt konzentriere ich mich jedoch voll auf unsere Immobilenprojekte.
Außerdem war ein großes Problem, dass wir einfach kein Geld hatten. Unser Haus war eigentlich etwas zu teuer und die Finanzierung recht riskant.
Die Gelegenheit war damals aber einfach zu gut, ein absoluter Rohdiamant, den keiner haben wollte. Das Mehrfamilienhaus haben wir dann zu 110% finanziert. Als Sicherheit musste unser inzwischen höherwertiges Haus herhalten.

Bei einem ETF kann ich einen Index kaufen und bin sofort an mehreren tausend Firmen beteiligt. Bei Immobilien ist das anders. Jede Immobilie stellt einen erheblichen Wert (Klumpenrisiko) dar und muss deshalb sorgfältig ausgewählt werden.

Eine genaue Marktkenntnis ist unerlässlich. Wir haben den Markt lange beobachtet und ich habe ein sehr gutes Gefühl bei unseren Immobilien. Wir kaufen nur auf unserem Heimatmarkt, dieser ist jedoch recht eng, eine klassische B-Stadt mit einer Uni und sehr guten Bevölkerungsprognosen aber auch sehr knappen Immobilienangebot.
Da wir nur sehr ausgewählt kaufen: stark sanierungsbedürftig, Baujahr bis 1920, innenstadtnah, ist eine ständige Marktbeobachtung wichtig, um überhaupt was zu finden.

Wie aufwändig ist das? Gibt es eine Lernkurve, das heißt: Sinkt der Aufwand, wenn ich eine zweite oder dritte Immobilie kaufe? Oder ist jede Immobilie so einzigartig, dass ich bei der Auswahl kaum Zeit sparen kann?

Bei uns sinkt der Aufwand nicht wirklich, da ich auch viel selber machen will. Aufwendig ist es schon aber für mich ist das ok, da es genau das ist, was ich machen will.
Eine Lernkurve gibt es sicherlich. Was den Baubereich betrifft, bin ich ja schon auf "Profiniveau" angefangen.
Bei Steuer-, Finanzierung-, und Mietverwaltung musste ich jedoch noch eine Menge lernen.
Den zusätzlichen Zeitaufwand habe ich einfach dadurch kompensiert, dass ich meine "normalen" Arbeitsstunden reduziert habe, wir müssen jetzt ja nicht mehr unbedingt zusätzlich zu den Immobilien fürs Alter sparen.

Für mich hat der Immobilienkauf große Ähnlichkeit mit dem Pferde- oder Gebrauchtwagenhandel. Muss man nicht Handwerker, Bauingenieur oder sonst wie vom Fach sein, um eine auf Hochglanz polierte Schrottimmobilie zu erkennen?

Ich denke schon, ich kann mich jetzt aber nicht so gut in einen absoluten Laien hineinversetzen. Ich bin praktisch seit meiner Schulzeit auf dem Bau. Es ist aber nicht unbezahlbar, sich diese Expertise einzukaufen. Man braucht den Sachverständigen ja erst mitschleppen, wenn man konkrete Kaufabsichten hat.

Welche drei Fehler darf man beim Kauf einer Immobilie auf keinen Fall begehen um nicht Schiffbruch zu erleiden? Ich meine hier nicht offensichtlichen Fehler wie zu geringes Eigenkapital, sondern die Fehler, die erst dann auftauchen, wenn man schon auf hoher See ist.

Ich halte geringes Eigenkapital eigentlich nicht für einen großen Fehler – hatten wir auch nicht, das ist dann halt riskanter.
Eine zu geringe Finanzierung ist in meinen Augen einer der größten Fehler.
Wenn man plötzlich keine Liquidität mehr hat, kann das sehr unangenehm werden. Nicht zu teuer einkaufen.
Neubauten oder fertig sanierte Hochglanzobjekte sind eigentlich immer zu teuer.
Lieber ein Objekt kaufen, welches noch ein paar Eimer Farbe vertragen könnte.
Als letztes natürlich die Lage. Ist abgedroschen aber enorm wichtig.
Die Stadt muss stimmen. Diese sollte wirtschaftlich breit aufgestellt sein. Kauft nicht in Wolfsburg! Nicht zu teuer, wer richtig Geld hat, darf natürlich auch gerne in München kaufen, muss aber mit einer schlechten Rendite rechnen.
Es sollte ein nachhaltiges Bevölkerungswachstum vorliegen, dann bleibt der Wohnungsmarkt auch in Zukunft unter Dampf.
Innerhalb der Stadt so zentrumsnah wie möglich, denn nur hier gilt der beliebte Spruch, dass Grund und Boden nicht vermehrt werden kann.

Wenn ein gewerblicher Vermieter einen ganzen Straßenzug aufkauft, kriegt er Mengenrabatt und er hat auch ganz andere steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten als ein privater oder kleingewerblicher Vermieter. Wie kann ich diese strukturellen Kostennachteile gegenüber gewerblichen Vermietern ausgleichen?

Indem ich privat bleibe. Als Privatmann kann ich steuerfrei verkaufen, das kann der gewerbliche nicht.
Der gewerbliche hat außerdem seinen Wasserkopf, den er bezahlen muss. Ist es zudem eine Aktiengesellschaft, schwächt er sein Unternehmen noch zusätzlich, indem er Dividenden zahlen muss.
So schlecht stehe ich als privater Immobilieninvestor gar nicht da.

Ist es eigentlich sinnvoll nur eine Immobilie zu besitzen oder sollte man ein kleines Imperium anstreben, um Skaleneffekte zu nutzen und das Klumpenrisiko zu verringern? Wenn ja, wie viele Objekte sollten es Deiner Meinung nach sein?

Ich bin mit dem, was ich habe vollkommen zufrieden und ausgelastet.
Ein Klumpenrisiko besteht sicher. Bei uns noch zusätzlich, da wir nur in einer Stadt aktiv sind.
Ich bin mir bei jedem Objekt, das wir haben aber sicher eine gute Investition gemacht zu haben und kann entsprechend gut schlafen.

Sollte man sich als zukünftiger Immobilien-Tycoon auf eine Art von Immobilie spezialisieren? Beispielsweise nur kleine Wohnungen in Uni-Städten, die man an Studenten vermietet oder ist es besser sein Beton-Portfolio zu diversifizieren?

Wir haben uns schon sehr auf bestimmte Immobilien eingeschossen, dass muss aber nicht für jeden gelten. Jeder sollte selber gucken, was er sich alles zutraut.

Meiner Meinung nach sind Immobilien keine Geldanlage im klassischen Sinn, sondern ein Business, das durchaus lukrativ sein kann. Aber man muss sich kümmern. Kaufen und liegenlassen im Sinne einer passiven Aktienanlage geht nicht.

Immobilien kosten Zeit und Mühe. Sie sind auch ein Business klar, es ist aber auch das, was ich machen will, mein normaler Job macht mir meistens weniger Spaß.
Auf der andren Seite ist die passive Anlage auch nicht ganz so passiv, wie oft geschrieben. Wenn ein Anleger 30% seines Gehaltes spart, um es passiv anzulegen, verwendet er dank unseres progressiven Steuersystems fast die Hälfte seiner gesamten Arbeitszeit zum Vermögensaufbau.
Er könnte genauso gut seine Arbeitszeit reduzieren und die freigewordene Zeit aufwenden, sich ein zweites Standbein aufzubauen.
Dies mag nach einem harten Bruch mit hergebrachten Konventionen klingen, geht aber. Zumindest bin ich sehr zufrieden damit.

Stimmt diese Einschätzung? Wenn ja, wie hoch ist der operative Zeitaufwand? Ich meine damit den normalen operativen Aufwand. Die Mietnomaden-Horrorstories überlasse ich RTL2.

Das ist sehr unterschiedlich. Da ich gerne selber auf Baustellen rumtobe, nicht nur als Planer, sondern auch als Handwerker, verbringe ich teilweise sehr viel Zeit auf dem Bau, wenn gerade nichts zu sanieren ist, ist der Aufwand aber überschaubar.

Thema Langfristigkeit: Immobilien sind staatlichem Dirigismus weiter stärker ausgesetzt als Aktien.
Eine Immobilie ist schutzlos staatlichen Steuern sowie kommunalen Gebühren und Abgaben ausgesetzt. Die Weitergabe dieser Kosten an die Mieter wird womöglich durch eine Mietpreisbremse unmöglich gemacht.
In 15 bis 20 Jahren gehen die geburtenstarken Jahrgänge in Rente. Dann braucht der Staat viel Geld.
Wie beurteilst Du das Risiko, dass der Staat "reiche" Hausbesitzer aufgrund der Immobilität ihres Vermögens als lohnende Geldquelle sieht?

Darüber mache ich mir ehrlich gesagt kaum Gedanken. Wenn der Staat an unser Geld will, dann bekommt er es auch, egal wie ich es angelegt habe.
In Zypern wurden die Banksparer enteignet – so viel zur vermeintlich sichersten Anlageform, dem Bankkonto.


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