Leser S. fragt
Ich fange nächsten Monat selbst mit einem Sparplan von ETFs an. Über die Comdirct und dem MSCI-World-ETF von Comstage.
Der Kurs liegt gerade bei 42 Euro und ich spare erst einmal 50 Euro. Ist das überhaupt sinnvoll oder sollte ich lieber gleich mit 100 bis 200 Euro
durchstarten? Oder macht in diesem Sinne Kleinvieh auch Mist?
Ich bin extrem neu in der Materie und daher weiß ich auch gar nicht, wie flexibel dieser Sparplan umzustellen ist.
Der Finanzwesir antwortet
Ich kenne weder S. noch seine genaue finanzielle Situation. Aber Neulinge neigen dazu, ihre Risikotoleranz zu überschätzen. Ein durchgehaltener 50-Euro-Sparplan bringt mehr, als ein 200-Euro-Sparplan, der in der der Krise abgebrochen wird. Womöglich verkauft S. dann seine ETFs sogar und will "nie mehr Börse"!
Ich setze auf Immunisierung. Der Mensch gewöhnt sich an alles, sogar an fallende Börsenkurse.
Immunisierung, auch Impfung genannt, ist
"eine medizinische Maßnahme, um Lebewesen unempfindlich gegenüber Krankheitserregern zu machen. Impfungen wurden entwickelt als vorbeugende Maßnahme gegen Infektionskrankheiten. Immunisiert wird mit Lebendimpfstoffen (halbtoten Viren) und Totimpfstoffen (tote Erreger oder Bruchstücke)."
Quelle Wikipedia
Wie können wir diese medizinische Definition auf die privaten Finanzen übertragen?
- Infektionskrankeiten => nichts infiziert mehr mit Panik, als wenn Internet, TV und Print gleichzeitig "Crash, Chrash, Chrash" kreischen.
- vorbeugend => jetzt anfangen
- halb- beziehungsweise ganz tote Erreger => niederschwellig starten. Mit Verlusten der 50-Euro-Klasse wird der Udo im Panikzentrum des Gehirns besser fertig, als mit Verlusten der 200-Euro-Klasse.
Mein Rat an S.
Jetzt niederschwellig mit 50 Euro starten und sich daran gewöhnen, wie es ist, wenn das Depot um 10 bis 15% einbricht. Bei Anfängern geht es nicht um die Rendite, sondern darum Erfahrungen zu sammeln.
Theoretisch ist alles klar, man muss den Kursrückgang nur aussitzen. Im Börsenspiel hat das auch super geklappt, aber mit echtem Geld in einem echten Broker-Account sieht das alles etwas anders aus.
Ist wie beim Eislauf: Erst die Pflicht, dann die Kür. Rendite ist Kür, Durchhalten ist Pflicht.
Es geht nicht um
"Macht in diesem Sinne Kleinvieh auch Mist?"
Die Rendite eines Anfängers liegt darin, Lehrgeld zum Schnäppchenpreis zu zahlen.
Das Beste was S. passieren kann: Er hat ein paar hundert Euro investiert und die Börse korrigiert um 10 bis 15% nach unten und er sieht Kursverluste von rund und roh einer Monatsrate.
Genug, um ihn unglücklich zu machen, zu wenig, damit er "krank vor Sorge" verkauft.
Nach einigen Monaten sind die Kursverluste aufgeholt, alles ist eitel Sonnenschein und S. hat mit seiner Immunisierung begonnen. Zeit, um in die nächste Gewichtsklasse aufzusteigen.
Welche Gewichtsklasse wäre das denn?
Wenn S. auf die Halbierung des Depotwertes mit einem: "Startet heute nicht die neue Serie auf Netflix?" antwortet, ist er richtig.
Alles weitere im Artikel: Machen Sie doch mal eine Feuerübung mit Ihrem Geld.
PS
Bevor ich es vergesse: Die Entscheidung als Anfänger mit einem Sparvolumen von 50 Euro nur einen ETF zu besparen ist sehr gut. Auch die Wahl eines ETF auf den MSCI World ist sinnvoll. Man weiß nie, was die Zukunft bringt, aber mit einem MSCI World kann man nicht viel falsch machen.
Was das Umstellen angeht: Ich kenne die Comdirect-Sparpläne nicht im Detail, aber zeige mir einen Anbieter (egal von was), der nicht gerne mehr Geld entgegen nimmt. Ein Upgrade sollte relativ problemlos möglich sein.