Peter Ranning, der Privatier will wissen:
"Was kommt nach der finanziellen Freiheit? Warum strebe ich sie überhaupt an? Was sind meine Ziele und Wünsche? Wie stelle ich mir mein Leben als Privatier vor?"
Deshalb ruft er unter dem Motto "Freiheit oder Langeweile?" zur Blogparade auf.
Der Finanzwesir zitiert Udo: Hinterm Horizont geht’s weiter". Die Frage ist nur: Wie weit ist der Horizont? Gerade in Deutschland geht Kennenlernen doch oft so:
- Wie heißt Du? => Die Höflichkeit gebietet es, das man sich vorstellt.
- Schönes Wetter heute. => Ein kleines bisschen Smalltalk muss sein, selbst in Deutschland.
- Was machst Du so? => Jetzt mal Butter bei die Fische. In welche Sozialprestige-Schublade gehörst Du?
- Ich blogge über Finanzen? => Hä? Vollkommene Fassungslosigkeit, sämtliche Bewertungskriterien versagen. Einordnung unter Freakshow.
"Freakshow = Jahrmarktsattraktion. Wandermenagerien in denen Menschen wie "Zwerge", "die Frau mit Bart", "der Zyklopenjunge" oder "Wolfsmenschen" ausgestellt wurden."
Quelle
Das ist protestantische Arbeitsethik pur. "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen", so sprach schon Münte, Arbeitsminister und Vizekanzler von 2005 bis 2007 im Kabinett Merkel.
Daran hat sich in der letzten Dekade nicht viel geändert.
Mit anderen Worten: Der angehende Privatier hat weniger ein Problem mit seinem eigenen Horizont, sondern mit dem Horizont seiner Mitmenschen.
Oder wie mein guter Freund M. zu sagen pflegt:
"Der kluge Mann fliegt unter dem Radar."
Wer energisch und systematisch die finanzielle Freiheit anstrebt ist ziemlich gegen den Strich gebürstet.
Solche Leuten sind dermaßen unkonventionell, dass ich nicht daran glaube, dass sie nichts mehr mit sich anzufangen wissen, nur weil aus dem "arbeiten müssen" ein "arbeiten können" geworden ist.
Normalerweise schlägt die finanzielle Freiheit ja nicht als Faust Gottes von einem Tag auf den anderen zu.
Wer dieses Risiko vermeiden will, spielt einfach kein Lotto.
Man wächst in die finanzielle Freiheit hinein. Ich sehe weniger das Problem der Langweile, sondern der 150prozentigen Planerfüllung.
Eigentlich würde der Geldberg bis zum 100sten Geburtstag reichen, aber irgendwie reicht einem der Mont Blanc nicht. Mit einem Mount Everest auf der Bank würde man sich sicherer fühlen.
Also bleibt man noch so vier bis fünf Jahre im Hamsterrad um dann zweifelnd vor dem Everest aus Euros zu stehen und zu grübeln: "Reicht das wirklich? Sollte ich nicht doch noch…"
Die vier apokalyptischen Reiter wider die finanzielle Freiheit
Nie bereit sein
Man ist nicht finanziell frei, nur weil Excel sagt:"Fertig, kannst aufhören".
Man ist finanziell frei, wenn das Panikzentrum des Gehirns Ruhe gibt.
Das Unverständnis der anderen
Manche gehen heimlich in den Sado-Maso-Club, andere sind finanziell frei. Willkommen im Doppelleben.
Finanziell unabhängig Menschen sind ein bisschen unheimlich, weil man sich überhaupt nicht vorstellen kann, was die den ganzen Tag so treiben.
- Ein Rockstar macht Platten und geht dann auf Konzertreise.
- Ein erfolgreicher Sportler trainiert wie verrückt und wettkämpft anschließend.
- Ein Vorstandsvorsitzender ist einfach unglaublich wichtig.
Das sind alles Lebensläufe, die meilenweit vom Leben der Erika Mustermann entfernt sind und trotzdem hat man noch eine vage Vorstellung davon, wie diese Menschen ihren Tag verbringen.
Aber was macht ein finanziell Freier den ganzen Tag?
- Er baut sich ein potemkinsches Dorf der wohlanständigen Bürgerlichkeit und
- geht dahinter seinen Interessen nach.
In das schwarzes Loch der Langeweile fallen
Für mich eine theoretische Überlegung.
Der finanziell Unabhängige wird ja nicht mit einem Arbeitsverbot belegt: "So, jetzt ist Schluss, die anderen wollen auch mal." Wer weiter arbeiten will, kann das tun.
Wer seinen Lebensprestige aus der Erwerbsarbeit schöpft, wird immer Gründe finden, warum die Geldmenge immer noch nicht reicht. Selbst wenn er einen Himalaya aus Euros sein eigen nennt.
Alle anderen werden als vielseitig interessierte Menschen bereits ein Fässchen im Visier haben, das sie schon immer aufmachen wollten.
Zu viel Freiheit
Finanzielle Unabhängigkeit bedeutet Leben wie Ludwig der XIV (das war der mit "L’état c’est moi"). Dieser Anspruch ist unser bürokratisierten Massengesellschaft nicht immer zu verwirklichen. Die Telekom-Hotline lässt jeden Sonnenkönig auflaufen.
Ja, die Normalen leiden auch darunter. Aber ein finanziell Unabhängiger ist als Freisasse im täglichen Leben viel weniger Zumutungen ausgesetzt. Deshalb ist der Kontrast größer und er leidet stärker.
Fazit
Wer einfach nur finanziell frei sein will, ohne regelmäßig in Bunte, Spiegel oder Capital aufzutauchen, lebt das Leben einer Minderheit.
Um die Fragen des Privatiers zu beantworten:
- Freiheit oder Langeweile? Freiheit ist nie langweilig!
- Was kommt nach der finanziellen Freiheit? Das wahre Leben.
- Warum strebe ich sie überhaupt an? Weil ich dieser Gesellschaft mehr zu bieten habe, als ich in einem konventionellen 9-to-5-Job zeigen kann.
- Was sind meine Ziele und Wünsche? Leben und arbeiten in der arschlochfreien Zone.
- Wie stelle ich mir mein Leben als Privatier vor? Spannend und selbstbestimmt. Oder um eine Baumarkt-Werbung zu zitieren: "Wie viel Wahnsinn steckt in dir?"