Leser M. fragt
Ich habe zwei Nichten denen ich zum 18. Geburtstag etwas Geld schenken möchte.
Mein Finanzberater hat mir jetzt empfohlen das Geld in die fondsgebundene Rentenversicherung von der Helvetia (Model CleVesto Favorites G in der Variante Mainlane) zu investieren. Der Vertrag hat eine Laufzeit bis 2068, ist aber jederzeit kündbar.
Dieses Angebot klingt eigentlich ganz gut.
Meine Nichten sind fünf Jahre alt, die Laufzeit würde also 13 Jahre betragen.
In den letzten Jahren habe ich bereits 1.000 € auf einen Sparbuch angespart. Ich möchte die 1.000 € in den von meinem Berater empfohlenen Fonds einzahlen und dann monatlich zusätzlich 30 € sparen.
13 Jahre entsprechen 156 Monaten. Diese teilen sich - rein rechnerisch - wie folgt auf
- 33,3 Monate zu 60 € (30 Spar-Euros plus 30 € vom Sparbuch; nach 33,3 Monaten sind die 1.000 € verbraucht)
- 122,6 Monate zu 30 € (nur noch meine 30 Spar-Euros)
Mein Berater meint, wegen der Kursschwankungen ist es ungünstig, die 1.000 € auf einmal einzuzahlen, deshalb der Split.
Die Gebühr wird in den ersten 5 Jahren erhoben.
"…. Die Abschluss- und Vertriebskosten werden anteilig in den ersten 5 Vertragsjahren erhoben und betragen monatlich 5,70 €. Für die gesamte Vertragslaufzeit betragen diese einmaligen Kosten insgesamt 342,— €"
Zwei Fragen meinerseits.
- Sind die Gebühren in der Höhe für solch ein Produkt in Ordnung?
- Ist diese Anlageform überhaupt sinnvoll für das Sparziel?
Der Finanzwesir antwortet
Die Kostenanalyse
Insgesamt zahlt M. 5.680 € ein, die wie folgt zusammenkommen
- 33,3 Monate x 60 € = 2.000 €
-
122,6 Monate x 30 € = 3.680 €
- Wenn er den Vertrag am 1.10.2016 abschließt sind die 13 Jahre am 30.9.2029 um.
- In den ersten 60 Monaten zahlt er pro Monat 5,70 € an Gebühren. In Summe sind das 342 €.
- Die Gesamtgebührenquote beträgt 6,02% (342 € von 5.680 €)
- Die Kostenquote beträgt in den ersten 33 Monaten 9,5% (5,70 € von 60 €)
- In den folgenden 27 Monaten beträgt die Kostenquote 19% (5,70 € von 30 €)
- In den restlichen 96 Monaten ist Kostenquote gleich Null.
Das Produkt
Vermarktet wird das Produkt wie folgt:
"Für den renditeorientierten Anleger - Attraktive Wertsteigerung bei überschaubarem Risiko:
- Investition zu 100 % in Aktienfonds mit Schwerpunkt auf europäische Aktienfonds, marktabhängige Beimischung von amerikanischen, fernöstlichen oder japanischen Werten.
- Zur Absicherung der Erträge kann in schwachen Börsenzeiten eine Umschichtung von bis zu 50 % des Kapitals in Geldmarkt- oder Rentenfonds erfolgen.
Die Helvetia stellt dieses Produkt aber nicht her, sondern vertreibt es nur. Das Advisory-Mandat haben die renommierten Vermögensverwalter der Schweizer Privatbank Vontobel.
Kurze Zwischenfrage: Finanzwesir, wo hast Du diesen Satz her und was bedeutet er?
- Ich habe ihn von der Web-Site der Helvetia geklaut.
- Advisory Mandat = Die managen das Ding. Einer muss ja die fernöstlichen Aktien marktabhängig beimischen und nach intensivem Glaskugelstudium:" Die Börse wird schwach" wieder entmischen.
- renommiert, Schweiz, Privatbank = Unsere Preise sind auf Matterhorn-Niveau.
Der Favorites G in der Variante Mainlane nichts weiter als ein Mischfonds. Mischfonds taugen nichts, wie ich in meinem Mischfonds-Artikel dargelegt habe. Zu allem Überfluß ist dieser Fonds kein reiner Mischfonds, sondern ein Dachfonds.
Das bedeutet er investiert nicht direkt in Aktien und Anleihen, sondern in andere Fonds. Das verlängert die Nahrungskette noch einmal. Leser M. bezahlt
- Die Hyäne, die sich Finanzberater nennt.
- Die Helvetia-Versicherung, als Vertriebsorganisation.
- Vontobel, die mit dem Advisory-Mandat.
- Die Fonds-Manager der Fonds, in die der Favorites G investiert.
Da ist ein ganzer Haufen Kapitalmarktexperten am Werk. Als sprichwortgeschulter Mensch wissen Sie: Die Zahl der Köche ist umgekehrt proportional zum Wohlgeschmack des Breis.
Ein Wort noch zu den Kosten: ETFler wollen Kostenquoten zwischen 0,1% und 0,4% sehen. Ein 0,6% wird maulend akzeptiert (aber nur für Spezial- und Sektoren-ETFs), alles ab 1% gilt als unsittlich. 2% ist obszön und ab 3% setzt die Schnappatmung ein. Bei M.s 6% hilft auch eine Sauerstoffsdusche nicht mehr - der Finanzwesir kippt vom Stuhl.
Was mich interessieren würde: Sind damit alle Kosten abgedeckt oder kommen da noch 1,83% an Fondskosten für den MainLane-Fonds hinzu? (Quelle)
Das perfide: Die Kosten werden am Anfang abgezogen. So schädigen sie die Rendite maximal. Jeder Euro, den M. im im ersten Jahr als Gebühr verliert, kann die nächsten 12 Jahre keinen Zinseszins mehr produzieren. Die 30 Euro, die M. im ersten Monat des dreizehnten Jahres einzahlt, machen den Kohl nicht mehr fett.
Mehr dazu im Artikel: "Was 1,8 % ausmachen".
Ich habe Ms. Daten in den Sparrechner von Zinsen-berechnen.de eingegeben. Das Ergebnis:
durchschnittl. Aktienmarktrendite | Endkapital | Einzahlungen | Zinsen |
---|---|---|---|
4% | 518,01 € | 342,00 € | 176,01 € |
5% | 573,33 € | 342,00 € | 231,53 € |
6% | 634,52 € | 342,00 € | 292,52 € |
7% | 701,48 € | 342,00 € | 359,48 € |
8% | 774,93 € | 342,00 € | 432,92 € |
Je nach Quelle liegt die langjährige durchschnittliche Aktienmarktrendite zwischen 6% und 8%. M. entgehen nicht nur die 342 Gebühreneuros, sondern er hat auch noch Opportunitätsverluste von bis zu 433 €.
Fazit
M. wollte wissen:
- Sind die Gebühren in der Höhe für solch ein Produkt in Ordnung?
- Ist diese Anlageform überhaupt sinnvoll für das Sparziel?
Die Antwort
- Diese Gebühren sind nie und für kein Finanzprodukt jemals in Ordnung. Das ist ruchlose Abzocke.
- Diese Anlageform ist vollkommen ungeeignet für jeden Zweck.
Was tun?
Wir haben hier einen Modellfall für passives Anlegen mit ETFs.
- Langfristiger Zeithorizont
- Das Geld wird nicht gebraucht. Die Eltern sind für ihre Kinder verantwortlich. Alles, was der Onkel gibt ist reines Plus.
- Wenig Neigung, sich dauernd mit der Geldanlage zu beschäftigen. Sparplan und fertig.
Ein ETF-Sparplan setzt 1. und 2. voraus und bietet 3.
M.s Sparplan in der Praxis
- Einen ETF auf den MSCI World aussuchen. Etwas anderes kommt bei den Summen, die M. sparen möchte nicht in Frage. Kostenquote: 0,2% - 0,5%
- Schauen, wo dieser ETF sich als kostenfreier Aktions-ETF besparen lässt. Kostenquote: 0%
- Sparplan einrichten und Freistellungsauftrag einreichen. Die 801 € Freibetrag reichen locker, wenn wir die Ausschüttungsrendite mit 3% abschätzen.
Damit haben wir das Thema sauber und elegant erledigt und zwischen 95% und 97% der Favorites-G-Kosten gespart.
Ein Wort noch zu den 1.000 Euro: Da wir von langfristig steigen Börsen ausgehen (sonst würden wir nicht passiv an die Börse gehen), ist es sinnvoll alles sofort zu investieren. Je schneller das Geld ans arbeiten kommt, umso besser.
Mehr dazu hier: "Soll ich mein Geld Stück für Stück investieren oder in einem Rutsch?".
Dass nicht lang nachdenken, sondern einfach kaufen eine ziemlich clevere Sache ist, wusste schon die Investment-Legende Sir John Templeton. Eine junge Dame fragte ihn einmal: Ich habe gerade ein bisschen Geld von meinem Großvater geerbt. Wann ist für mich der ideale Zeitpunkt, es anzulegen?
Sir John hielt kurz inne und gab dann eine nicht minder banale Antwort: Junge Dame, der beste Zeitpunkt, Geld anzulegen, ist dann, wenn Sie Geld haben.
Na dann, also alles in ein ETF-Depot und fertig? Nein, denn es gibt da ein
Psychoproblem
Die Börse schwankt. Es ist nicht garantiert, dass die Börse pünktlich zum 18. Geburtstag Höchststände feiert und der Onkel mit stolzgeschwellter Brust ein dickes Depot übergeben kann. Vielleicht können die Mädels ihren Führerschein auch erst mit 22 bezahlen.
Wo ist das Problem? Das passiert den Vontoblern doch auch.
Klar, aber dann kann der Onkel seine Hände in Unschuld waschen. Er hat guten Willen gezeigt. Es probiert, aber es hat eben nicht sein sollen. Selbst die Experten haben versagt.
Als DIY-Anleger steht M. persönlich im Feuer: Onkel wollte großartig was für die Nichten tun, jetzt hat er’s an der Börse verzockt! Wäre er mal beim Sparbuch geblieben.
Also M.: Entweder mit dem Bruder oder der Schwester über das Thema Börse reden oder komplett die Klappe halten und zum 18. Geburtstag entweder ganz steil aus dem Gebüsch kommen oder schweigen.