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Leserfrage: Aktien, Anleihen, Rohstoffe, Immobilien - wie viele ETFs brauche ich?

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Leser M. schreibt

Ich hatte keinen Ahnung von der Finanzwelt und dieser Blog hat mein Interesse geweckt. Ich habe viel gelesen, auch den Kommer.
Man muss dann auch mal anfangen und nicht nur suchen und forschen.
Ich habe einen ETF-Sparplan bei Consors eröffnet, denn dort habe ich schon ein Tagesgeldkonto.
Meine ETFs sind alle von Comstage, da dies aktuell die günstigsten thesaurierenden, swap-basierten und sparplanfähigen ETFs bei Consors sind. Ich habe alles auch im Bundesanzeiger gecheckt. Mein Depot sieht wie folgt aus:

Nr. Anteil Sparrate ETF
1 43% Welt 75 € pro Monat ComStage MSCI World, ISIN LU0392494562
2 14% Schwellenländer 25 € pro Monat ComStage MSCI Emerging Markets, ISIN LU0635178014
3 7% Rohstoffe 35 € pro Quartal ComStage CB Commodity ex-Agriculture, ISIN LU0419741177
4 7% Immobilien 35 € pro Quartal ComStage STOXX Europe 600 Real Estate, ISIN LU0378436793
5 14% Pfandbriefe 25 € pro Monat ComStage iBoxx EUR Germany Cov. Cap., ISIN LU0488317610
6 14% Anleihen 25 € pro Monat ComStage iBoxx EUR Sov. Infl.-Link. Euro, ISIN LU0444607187

Das war alles in Eigenregie, steuereinfach und natürlich mit dem Buy&Hold-Ansatz. Was ist Ihre Meinung zu diesem Portfolio. Das Depot ist übrigens gerade im Minus, aber das erscheint normal nach ETF-Kauf.

Der Finanzwesir antwortet

Das das Depot im Minus ist, ist nicht normal im Sinne von: Nach dem Kauf sinken die Kurse immer. Es kommt einem nur so vor. Aber es ist natürlich auch nicht so, dass die Kurse nach dem Kauf steigen müssen.
Ich finde es aber gut, dass Leser M. das so stoisch hinnimmt und einfach weiter macht. Das ist ein sehr gutes psychologisches Fundament, auf dem wir aufbauen können.

"Man muss dann auch mal anfangen und nicht nur suchen und forschen."

Eine sehr gute Einstellung. Besser unperfekt starten, als perfekt erstarren.

Was das Depot angeht: Ja, da hat jemand den Kommer gelesen. Wie gesagt, ich bin ein großer Fan von Herrn Kommer. Ohne sein Buch gäbe es den Finanzwesir nicht. Aber das hier geht gar nicht.

Als ich diese Liste sah, wollte ich es nicht glauben: Ein Rohstoff-ETF im Sparplan und mit dem Immo-ETF auch noch ein Sektoren-ETF dazu? Da haben sich die Sparpläne doch deutlich vom Dreiklang World/EM/DAX emanzipiert.

Die Analyse

  • Jährliche Sparrate: 2.080 €
  • RK1 (Pfandbriefe, Anleihen) zu RK3 (der Rest): 28 % zu 72 %
  • RK1-Anteil: 600 € pro Jahr
  • RK3-Anteil: 1.480 € pro Jahr

RK1/RK3-Verteilung

Leser M. hat keine weiteren Angaben zu seinem Vermögen gemacht (Notgroschen, Immobilien, Schulden). Deshalb kann ich hier nicht viel sagen. Ich weiß auch nicht, wie alt er ist. Aber grundsätzlich ist gegen eine 30/70-Verteilung nichts einzuwenden.

RK1-Anteil

ETF Kostenquote Sparplangebühr durchschnittliche Rendite
ComStage iBoxx EUR Germany Cov. Cap. 0,12% 1,5% -0,01%
ComStage iBoxx EUR Sov. Infl.-Link. Euro 0,17% 0,0% -0,24%

Die Rediteangaben wie immer direkt von der Quelle.

Was tun?
Die beiden ETFs werden abgeschafft und jeden Monate gehen 50 € auf ein Tagesgeldkonto bei einer seriösen Bank mit westeuropäischer Einlagensicherung. Moneyou oder vergleichbare Anbieter zahlen 0,7 % - 0,8 % Zinsen. Es gibt keine Sparplan-Gebühren und keine Kostenquote.

  • Renditedelta Tagesgeld zu Pfandbrief-ETF: 2,2%. Von -1,5% (Sparplankosten) auf 0,7% Zinsen
  • Renditedelta Tagesgeld zu Anleihen-ETF: 0,94%. Von -0,24% Rendite auf 0,7% Zinsen.

Die 600 € sind meilenweit von der 100.000-€-Höchstgrenze entfernt, die Einlagensicherung greift da auf jeden Fall. Wenn 600 € (oder in 10 Jahren 12.000 €, Leser M. möchte die Sparrate verdoppeln) nicht mehr RK1 sind, dann haben wir ganz andere Probleme.

RK3-Anteil

Der Rohstoff-ETF ist tatsächlich ein Aktions-ETF ohne Transaktionskosten, während der Immo-ETF eine Sparplangebühr von 1,5% erhebt. Die ETFs auf den MSCI World und die Schwellenländer sind als Brot&Butter-ETFs ebenfalls von der Sparplangebühr befreit.

Was tun
Die beiden Brot&Butter-ETFs bleiben, die beiden Quartals-ETFs werden verkauft und nicht mehr bespart. Die frei werdenden 70 € pro Quartal und das Geld aus dem Verkauf werden auf den World- und den EM-ETF verteilt.

  • Pro Monat sind das 23,33 €, die wir auf 25 € aufrunden.
  • Monatlich müssen 125 € im Verhältnis 75/25 verteilt werden. Warum 75/25? Weil Leser M. aktuell dieses Verhältnis gewählt hat. 70/30 wäre "Standard".
  • Das sind rein rechnerisch 31,25€ für die Schwellenländer.
  • Das sind rein rechnerisch 93,75€ für die Industrieländer.
  • So krumm sieht doof aus. Also pragmatische 30 € in den Schwellenland-ETF und 95 € in den World-ETF.

Der Vorteil dieser Konstruktion

  1. Operativ einfacher. Zwei ETFs produzieren nur halb soviel Steuerkram, wie vier.
  2. Billiger, denn die Sparplangebühr für den Immo-ETF entfällt.
  3. Robuster und weniger abhängig von den Marketing-Launen der Broker und ETF-Firmen. Die beiden Brot&Butter-ETFs werden hoffentlich noch lange als kostenfreie Aktions-ETFs angeboten, einfach der Konkurrenz wegen.

Was mich am meisten stört: M.s Konstruktion funktioniert nur, solange alle ETFs sparplanfähig sind. Sobald ein ETF ausschert, kracht das Kartenhaus zusammen. Mit 35 € pro Quartal kommt man nie auf die 1.000 €, die man im regulären Handel als Mindestvolumen braucht.

Fazit

Die Zahl der ETFs muss zum Sparvolumen passen. 173,33 € monatlich sind eine respektable Summe, aber für sechs ETFs bei weitem zu wenig.
Bei Sparsummen unter 200 € würde ich immer zur Ein-Fonds-Lösung mit einem ETF auf den MSCI ACWI raten oder zu einer sparplan-getriebenen Kombi aus World/EM.
M. macht den typischen Anfängerfehler und versucht die reine Lehre der Diversifikation in die Praxis umzusetzen und vergisst dabei die operativen Fallstricke.
Es gibt eine Linie ab der wird aus einem "gut diversifiziert" ein "vollkommen überdehnt". Das ist hier der Fall. 11,66 € pro Monat in einen Rohstoff-ETF zu stecken bringt keinen Hebel, sondern nur Papierkram.
Selbst die Basis-Kombi World/EM ist mit 1.600 plus 800 Firmen doch breiter aufgestellt als das, was einem Banken und Sparkassen gemeinhin ins Depot empfehlen.
Klare Aussage von mir:

  1. RK1/RK3: 30/70
  2. RK1 = Tagesgeld
  3. RK3: 70/30 World/EM (Von mir aus auch 75/25, wenn M. seine Allokation behalten will.)

Fertig ist die Laube. Das kann erst einmal so laufen, bis die ersten 10.000 € am Start sind. Dann wird M. mit mehrjähriger Erfahrung schmunzelnd - und um der alten Zeiten willen - diese Antwort noch einmal lesen und anschließend souverän entscheiden, was zu tun ist.
M. ist - wie ich - ein typischer Vertreter der "Zu-genau-zu-gut"-Fraktion.

"Ich habe alles auch im Bundesanzeiger gecheckt."

Andere Leute wissen gar nicht, was der Bundesanzeiger ist. Er hat’s gecheckt!
Wenn diese Leute bemerken, dass man da auch lässiger durchgrooven kann, beruhigen sich sich und werden richtig gute Anleger.

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