Leser H.
Mein Problem: Die ETFs mit Staatsanleihen, die ich gefunden habe, hatten im letzten Jahr eine Negativrendite. Ich würde ungern 70% meines Depots in Renten anlegen, die am Jahresende weniger wert sind. Gibt es im aktuellen Rentenmarkt überhaupt Alternativen?
Leser E.
Das Ende der Festgeldleiter?
Ich lege bislang jedes Jahr für 5 Jahre einen bestimmten Betrag an, den ich jährlich um 1.000 Euro erhöhe. Nun steht das Renewal an und 10.000 Euro sind anzulegen. Zurück fließt der Betrag von der Santander Bank mit 4% pro Jahr.
Schaue ich mich bei Kritische Anleger nach einem seriösen Festgeldanbieter um, kommen für 5 Jahre nun nur noch 1,3 % pro Jahr rum.
Jedes Jahr ist aus den bekannten Gründen der Zinssatz - 2016 habe ich noch 1,8 pro Jahr bekommen - gesunken. 1,3 % pro Jahr gleichen zur Zeit die Inflation vielleicht gerade aus, aber ob das für 5 Jahre noch sinnvoll ist?
So frage ich mich, ob ich die Pferde nicht umsatteln soll. Was bleibt mir für eine Alternative? Außerdem habe ich über die vielen Jahre des Geldanlegens auch gelernt nicht immer die Richtung zu wechseln. Aber ist das auch jetzt noch sinnvoll?
Der Finanzwesir antwortet
Manuel Neuer wurde 2016 erneut Welttorwart. Komplett unverständlich. Wären Leser H. und E. in der Jury, wäre das nicht passiert. Wer macht schon einen Kerl zum Welttorwart, der keine Tore schießt! Tore schießen und gewinnen ist doch das fußballerische Ziel.
Ähm, Finanzwesir, das ist ein Torwart. Synonyme sind Hüter, Wächter, Wärter. Der schießt keine Tore, der verhindert sie! Und was hat das bitte mit miesen Renditen auf dem Anleihen- und Tagesgeldmarkt zu tun?
Halten wir fest:
- Eine Fußballmannschaft besteht aus Leuten die Tore schießen und Leuten, die Tore verhindern.
- Ein Trainer tut gut daran das bei der Mannschaftsaufstellung zu berücksichtigen
Ihr Depot ist ebenfalls ein Team. Es besteht aus
- Mr. Market. Er saust hysterisch am Aktienmarkt herum und schafft die Rendite heran. Manchmal kriegt er aber auch eine Depression und stürzt ab. Da kann man nichts machen, der fängt sich schon wieder.
- Petrus. Er ist der Statische. Er ist der Fels, auf den Sie Ihr Vermögen bauen. Er ist stets verlässlich - wird nicht schneller, nur weil Mr. Market zum Tanz auffordert, bleibt unbeeindruckt, wenn Mr. Market ihm den ARD-Börsenbrennpunkt auf den Hals hetzt.
Sie sind der Trainer. Nur Mr. Market und Ihr Depot schwankt, dass Ihnen Hören und Sehen vergeht. Nur Petrus? Reihen sich ein in die Kolonne der enttäuschten Sparer und fühlen Sie sich enteignet.
Was hat das mit den Problemen der Leser E. und H. zu tun?
Beide agieren nicht als Trainer. Sie sehen nicht das gesamte Depot, sondern beurteilen jeden Spieler einzeln. Dabei heißt es doch:
"Teamwork makes the team work."
Es geht immer um die Gesamtrendite des Depots bei einem vorgegeben Risiko (maximal tolerierbare Schwankungsbreite).
Leser E. schreibt
"Zurück fließt der Betrag…"
Das ist der entscheidende Teil des Satzes. Das Geld fließt nach fünf Jahren tatsächlich zurück. Darum geht es. Das Geld soll vollständig und in Euro nach Hause kommen und nicht von einem Einlagensicherungsfonds in Zloty transformiert werden.
Was mache ich, wenn ich als Trainer mehr Offensivkraft benötige? Ich brülle nicht meine armen Verteidiger an, sondern ich wechsle sie aus und stelle mehr Stürmer auf den Platz.
Genau das macht der kluge Investor. Er erhöht den Mr. Market-Anteil. Wenn das nicht geht, weil dann die Schwankungen als zu hoch empfunden werden, hilft nur noch spanischer Mauerfußball. Dann muss man auf ein "zu Null" spielen.
Fußballfans wissen: Damit kann man es weit bringen. Besser fünf Jahre mit Petrus jedes Jahr einen kleinen Verlust realisieren, als tollkühn mit Mr. Market alle Kräfte nach vorne werfen und dann von der Krise ausgekontert werden. 50% Verlust? Mit Petrus wäre das nicht passiert.
Leser H. schreibt
"Gibt es im aktuellen Rentenmarkt überhaupt Alternativen?"
Warum nicht Tages- und Festgeld in Erwägung ziehen? Leider schreibt H. nicht, um welche Summen es geht. Natürlich sind Tages- und Festgeldanlagen eine Wette auf die Einlagensicherung des jeweiligen Landes. Aber ich persönlich würde diese Wette bis 50.000 € eingehen. Zumindest für Deutschland, Holland oder ein anderes nordwesteuropäisches Land.
Vielleicht hilft auch der Psychotrick des Reframing.
"Beim Reframing, auf Deutsch Umdeutung wird einer Situation oder einem Geschehen eine andere Bedeutung oder ein anderer Sinn zugewiesen, und zwar dadurch, dass man versucht, die Situation in einem anderen Kontext (oder "Rahmen") zu sehen."
Quelle
Reframen wir das Ganze wir folgt: Negativzinsen oder Zinsen, die die Inflation nicht ausgleichen sind der Preis für die Sicherheit sein Geld auch nach fünf Jahren unversehrt wieder zu bekommen. Sehen Sie es als eine Art Verwahrgebühr. Wenn Sie in der Bank einen Tresor mieten, dann zahlen sie auch dafür.
Aber dann kann ich das Geld doch gleich ins Schließfach legen? Tagesgeld ist immer noch der bessere Deal. Sie müssen keine Tresorkosten zahlen und bekommen noch ein paar Cent, um die Inflation abzumildern.
Leser E. will wissen
"So frage ich mich, ob ich die Pferde nicht umsatteln soll. Was bleibt mir für eine Alternative? Außerdem habe ich über die vielen Jahre des Geldanlegens auch gelernt nicht immer die Richtung zu wechseln. Aber ist das auch jetzt noch sinnvoll?"
Alternativen für den risikoarmen Teil sehe ich wenige. Einen Anleihen-ETF halte ich für wenig sinnvoll, da die aktuell negativ rentieren. E. kann versuchen eine auf Euro lautende AAA-Staatsanleihe direkt zu erwerben und bis zur Endfälligkeit zu halten. Dann kann ihm das Zinsänderungsrisiko egal sein. Drei Probleme:
- Diese Dinger rentieren schlechter als Festgeld. Die Anleihe der Bundesrepublik Deutschland mit der WKN 110240, die am 15.08.2026 fällig wird (Fälligkeit sprengt E.s Fünfjahrespläne) rentiert zur Zeit mit 1,07%.
- Die Stückelung liegt oft bei 50.000 oder 100.000 Euro. Das ist deutlich mehr als E. anlegen will.
- Oft sind Anleihen nicht sonderlich liquide. Warum ein AAA-Schätzchen verkaufen wenn man nicht muss?
Deutsche Pfandbriefe sind auch eine Option. Dort sieht es aber ähnlich erbärmlich aus, wie die Zinstrukturkurve der Börse Stuttgart zeigt. Fünfjährige Jumbopfandbriefe krebsen bei 0,13% Rendite herum.
Zwischenfazit
Petrus ist nicht zuständig. Mehr Torgefährlichkeit gibt’s nur mit mehr Mr. Market auf dem Platz. Ein strukturelles Problem lässt sich nicht auf der Produktebene lösen.
Im übrigen ist dieses Problem so alt wie die Menschheit. Na ja, vielleicht nicht so alt wie die Menschheit, aber mehr als 40 Jahre hat es schon auf dem Buckel. Das ist früher nur nie aufgefallen, weil die Inflation höher war und damit auch die Nominalzinsen. Aber ein Sparer bekam noch nie mehr als Almosen für sein Geld. Mr. Market war schon immer für die Rendite zuständig.
Guckst Du hier
Jahr | 1975 | 1980 | 1985 | 1990 | 1995 | 2000 | 2005 | 2010 | 2015 |
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Sparbuchzinsen | 4,4% | 4,6% | 2,9% | 2,8% | 2,0% | 1,3% | 2,1% | 1,4% | 0,5% |
Inflationsrate [1], [2] | 6,0% | 5,4% | 2,0% | 2,6% | 1,8% | 1,4% | 1,6% | 1,1% | 0,3% |
Realzinsen | -1,6% | -0,8% | 0,9% | 0,2% | 0,2% | -0,1% | 0,5% | 0,3% | 0,2% |
Fazit
Eine solide Festgeldleiter scheint mir für alle Beträge unter 50.000 € noch immer die beste Wahl. Zinsen am oberen Ende, kostenfrei, einfach einzurichten und jedes Jahr wird ein Fünftel frei, mit dem man dann bei der Wiederanlage von steigenden Zinsen profitieren kann.
"…, aber ob das für 5 Jahre noch sinnvoll ist?"
Es spricht nichts dagegen die Leiter um zwei Sprossen zu verkürzen und in eine dreistufige Trittleiter zu verwandeln. Ich bin mir sicher, Stefan Erlich und die kritischen Anleger haben auch da etwas in Angebot.