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Comdirect: Was habt Ihr Euch dabei gedacht?

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Das hier ist die "Guided Tour-Kostennachweis" für alle, die sagen: "Irgendwie verstehe ich dieses Papier doch noch nicht so richtig."
Entstanden ist dieser Artikel im Dialog.
Ich habe meine Fragen gestellt. Geantwortet haben die MiFID-Chefin der Comdirect und Mr. und Ms. Kostennachweis aus ihrem Team. Näher an der Quelle geht nicht.
Vorhang auf für die Fragerunde: "Was habt Ihr Euch dabei gedacht?"

Kosten des Wertpapierkaufs

Kaufkosten Comdirect
Fangen wir mit Flossbach von Storch als Vertreter der klassischen aktiven Fonds an. Die erste Frage: Was bedeutet das [E]?
[E] = Eigene Entgelte der Bank, so steht es in der Legende. Auf gut Deutsch: Dieses Geld bekommt die Bank.

Für den FvS-Fonds bedeutet das:

  • Sie haben als Handelsplatz "Tradegate" ausgewählt. Deshalb bekommt die Comdirect 2,50 € von Ihnen.
  • Sie wollen knapp 5.000 € anlegen. Deshalb bekommt die Comdirect Orderprovisionen in Höh von 17,32 € von Ihnen
  • Tradegate freut sich, dass Sie Ihren Kauf über Tradegate abwickeln wollen und zahlt deshalb der Comdirect 3,50 €. Das sagt die Zeile "Von Dritten erhält die Bank eine Zahlung"

Warum machen die das? Nun, das sind die Vertriebsvereinbarungen zwischen Bank und Börsenplatz. Der Handelsplatz braucht Kunden, die Bank hat sie. Zum Thema "Zahlungen von Dritten" ein Statement der Comdirect

"Aktuell gibt es keine Konstellation (Handelsplatz u.o. Emittent) die dazu führt, dass Zuwendungsbeträge der Trades aufsummiert werden. Wichtig ist, dass es sich bei dieser Summe nicht pauschal um eine Zuwendung handelt, die wir von einem Handelsplatz erhalten, sondern dass es auch eine Kombination aus Handelsplatz und Emittent bzw. nur Emittent oder nur Handelsplatz sein könnte."

Jetzt der ETF

Kaufkosten Comdirect
Das [E], die Orderprovision und die Tradegate-Gebühr kennen Sie bereits vom FvS.
ETFs sind margenschwach. Deshalb schüttet Tradegate auch nur noch 50 Cent als Kickback aus. Beim Flossbach von Storch gab es das siebenfache.

Aber was ist Clearstream/Streifband?

"Es gibt zwei Fälle der Verwahrart von Wertpapieren. Einmal die Girosammelverwahrung (Verwahrung bei Clearstream, der Kunde erhält Miteigentum am Sammelbestand) und einmal die Streifbandverwahrung (Kunde erhält Alleineigentum an gesondertem Bestand). Welche Art gewählt wird, hängt davon ab, für welche Verwahrart das jeweilige Wertpapier zugelassen ist. Deswegen schreiben wir Clearstream/Streifband."
Statement Comdirect

Der ETF ist also teurer in der Anschaffung, als der Flossbach von Storch. Sie zahlen der Bank zusätzlich 2,90 € für die Verwahrung des ETFs.

Kosten während der Haltedauer (pro Jahr)

Während es beim Kauf um direkte Kosten geht, also Geld, das Sie wirklich bezahlen, kommen nun die indirekten Kosten ins Spiel. Das ist das Geld, das Sie nie erhalten. Bis jetzt galt: "Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß." Nun wird’s dank MiFID II transparent.

Flossbach von Storch

Haltekosten Comdirect Jedes Jahr entnimmt das Fonds-Management dem Fonds 122,73 Euro und überweist davon 37,26 Euro an die Comdirect. 30% der Produktkosten fließen zurück an die Bank. Die Produktkosten von 122,73 Euro sind indirekte Kosten. Dieses Geld gehört dem Fonds-Management und produziert keinen Zinseszins mehr für Sie. Ganz grob ist das die TER.
Das Depotentgelt sind zwölf mal die monatlichen 1,95 Euro. Das ist die ganz normale Comdirect-Depotgebühr aus dem Preis&Leistungs-Verzeichnis.

iShares-ETF

Haltekosten Comdirect Die Produktkosten von 10,53 € betragen nur knapp 9 % der FvS-Kosten. Deshalb geht die Bank auch leer aus. Keine Kickbacks. Das Depotentgelt kennen Sie bereits vom FvS.

Kritikpunkt Depotentgelt

"Was kostet mein comdirect Depot?
In den ersten drei Jahren nach der Eröffnung führen wir Ihr Depot kostenlos. Danach belasten wir ein Entgelt von 1,95 Euro pro Monat. Dieses sparen Sie, indem Sie zwei Trades pro Quartal tätigen, quartalsweise einen Wertpapiersparplan ausführen oder ein Girokonto innerhalb der gleichen Kontoverbindung nutzen."
Quelle: Comdirect-Website

Praktisch jeder, mit dem ich gesprochen habe hat darüber den Kopf geschüttelt. "Ich habe ein Girokonto", "Das hier ist eine Sparplan-Abrechnung", "Ich habe fünfzehn Positionen im Depot, ich zahl’ doch für alle zusammen 1,95 € pro Monat."
Warum gibt die Comdirect das Depotentgelt immer so stur an? Das hat drei Gründe

  1. Technische Gründe. Als Außenstehende sagen wir: "Dann schaut halt nach, ob ich ein Girokonto habe, bevor ihr mir ein Depotentgelt auf den Zettel setzt. Kann doch nicht so schwer sein." Kann es doch. Wenn das zwei verschiedene Silos sind, die nichts voneinander wissen, kann es sehr schwer sein, die Info "hat Girokonto" von einem Silo in den anderen zu bringen.
  2. Der Regulator will es so. Die Banken sind verpflichtet das Rendite-Doom-Szenario auszuweisen. Es kann also nur besser werden, wenn zum Jahreswechsel die Ex-post-Berechnungen verschickt werden.
  3. Die Comdirect hat keinen Palantír. Woher soll die Bank wissen, dass das heute die letzte Sparplanrate war und ab nächstem Monat 1,95 € fällig werden?

Kosten des Wertpapierverkaufs

Flossbach von Storch

Verkaufskosten Comdirect

iShares-ETF

Verkaufskosten Comdirect

Wie der Kauf, nur Rolle rückwärts. Die Comdirect nimmt an

  1. dass Sie Kauf und Verkauf über die gleiche Plattform abwickeln,
  2. dass die Verkaufskosten beim Verkauf identisch mit denen von heute sind. Kann sein, sollte aber nicht sein. 5.000 € mit 8% jährlichem Wachstum gibt in 10 Jahren knapp 10.000 € nominal, die zu versteuern sind. Entweder die Comdirect halbiert ihre Preise in den nächsten 10 Jahren oder Sie zahlen knapp das Doppelte an Verkaufskosten.

Auch beim Verkauf gilt: Der FvS bringt sieben mal mehr Kickbacks, als der ETF. Dafür müssen Sie der Comdirct beim Verkauf des ETFs noch 2,90 Euro extra bezahlen, damit sie das Ding wieder aus dem Streifband pult.

Gesamtkosten

Gesamtkosten Text Comdirect
Herzlichen Glückwunsch zu diesem Text. Wer immer als tapfer St. Georg den Jura-Bestien aus der Compliance-Abteilung diesen verständlichen Text abgerungen hat verdient unser aller Hochachtung!

Gesamtkosten im Detail

Flossbach von Storch

Gesamtkosten Comdirect

Die Dienstleistungskosten der Bank betragen 342,96 €. So ist es ausgewiesen. Wer nachrechnet stellt fest:
Kaufkosten + Verkaufskosten + 5 * Depotengeld = 156,64 €
342,42 - 156,64 € = 186,32 €. Wo sind die 186,32 € geblieben?

Aufgemerkt
Dienstleistungskosten der Bank = direkte Kosten (das was Sie zahlen) plus indirekte Kosten (Geld, das Sie nie bekommen)

Jetzt werden wir fündig. Es sind die Kickbacks! Und siehe da: 5 * 37,26 € = 186,30 €
Die fehlenden zwei Cent erlassen wir der Comdirect als Rundungsfehler.

Was sind eigentlich "Dienstleistungskosten fremd"?
Das ist zwar bei beiden Käufen eine Nullposition, aber wenn es da rumsteht, kann man ja mal fragen. Die Antwort von Ms. Kostennachweis: Das können beispielsweise Maklergebühren sein. Alle Gelder, die hier auftauchen werden von der Bank eins zu eins durchgereicht.

Produktkosten (nach Zahlungen von Dritten)
Hier hätte ich mir eine weitere Zeile mit gesamten Produktkosten gewünscht.

  • gesamte Produktkosten = 5* 122,73 € = 613,65 €
  • Produktkosten abzüglich des Geldes, das an die Comdirect geht = 5* (122,73 € - 37,26 €) = 427,35 €

Von Dritten erhält die Bank eine Zahlung von 7 €. Das sind die je 3,50 € von Tradegate bei Kauf und Verkauf.

Kommen wir nun zur Magie. Wie werden die Prozente berechnet? Es steht geschrieben

"Die voraussichtlichen Gesamtkosten belaufen sich auf 770,29 € und reduzieren die Rendite um durchschnittlich 3,1% pro Jahr."

Wie kommt man auf die 3,1% pro Jahr?
Meine Vermutung: Total kompliziert. Interner Zinsfuß zum Quadrat und zur Fakultät und ein Rechenzentrum das heliumgekühlt supraleitfähig gemacht wurde. Amüsiertes Kichern auf der anderen Seite der Telefonleitung und dann ein: "Nö."

Man nehme:

  1. Den Kaufkurs
  2. Die Summe aller Kosten
  3. Die Haltedauer

Renditeminderung in Prozent p.a. = (Summe aller Kosten / Kaufkurs) * 100% / Haltedauer = (4968,60 € / 770,29 €) * 100 % / 5 = 3,1%

Mehr ist da nicht. So werden alle renditemindernden Prozente berechnet. Kostenquote dividiert durch Haltedauer.

iShares-ETF

Gesamtkosten Comdirect
Dieselbe Rechnung, nur mit kleineren Zahlen und einem Siebtel der Kickbacks.

Gesamtkosten im Zeitablauf und Auswirkung auf die Rendite

Flossbach von Storch

Gesamtkosten Comdirect

iShares-ETF

Gesamtkosten Comdirect

In meinen Augen sehr klug gelöst. So kann ich mir die Kosten für Haltedauern von einem bis n Jahren selbst zusammenbauen.
Die renditemindernden Prozente beziehen sich wie gehabt auf den Kaufkurs.

FvS - Gesamtkosten für 10 Jahre Haltedauer
165,95 € + 9 * 146,13 € + 19,82 € = 1.500,94 €

ETF - Gesamtkosten für 10 Jahre Haltedauer
56,77 € + 9 * 33,93 € + 22,84 € = 384,98 €

Learnings

  • Um nach Kosten den gleichen Ertrag zu bringen, muss der Flossbach von Storch in 10 Jahren 1.115,96 € mehr erwirtschaften als der ETF. (Das ist das, was Boogle meint, wenn er sagt: "Rendite kommt, Rendite geht, die Kosten sind ehern.")
  • Transaktionskosten sind irrelevant.

Fazit

Und Sie glauben noch an das kostenlose Girokonto, wenn die Tradegate-Zahlungen um 80% einbrechen und es keine Rückflüsse aus den Produktkosten mehr gibt? Quersubentionierung? Vergiß es. Jetzt muss jede Business-Unit selbst sehen, dass sie profitmäßig nicht auf der Strecke bleibt.

Die Comdirect hat das Thema Kosteninfos sehr gut gelöst. Schon mit der aktuellen Version 1.0 kann man arbeiten. Aber hinter den Kulissen wird schon die Version 2.0 angeschoben.
Der Kostenausweis nervt!
Sie sind doch Investor? Dann nehmen Sie den Kostenausweis ernst. Total cost of ownership mag für Aktionäre exotisch sein. Aber in allen anderen Branchen ist das für jeden Investor ein wichtiges Thema.
Bei Immobilien nennt man das Instandsetzungsrücklage. Dank MiFID II haben wir Wertpapierbesitzer jetzt ebenfalls diese Kennzahl zur Verfügung.
Wer das Ding einfach abheftet oder wegschmeißt handelt fahrlässig wie der Geschäftsführer, der den monatlichen Cashflow-Report seines Steuerberaters ignoriert, weil: Ist ja Steuerberaterkram.

PS

Der Kostenausweis lässt sich nicht abbestellen. Der kommt. Es gibt wohl Leute, die machen 300 Trades im Monat. Dementsprechend sieht die Inbox dann aus. Solche Leute sollten nicht mit der Bank schimpfen, sondern einen Suchttherapie buchen.
Hin und her macht Taschen leer. 300 Kostenausweise in der Inbox - mehr Zaunpfahl geht doch kaum noch.
Aber jeder, der eine Suchttherapie macht bedeutet weniger Umsatz für die Bank. Noch ein Sargnagel für das kostenlose Girokonto.


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