Leser M. hat mir geschrieben
Aufgrund der aktuellen Marktsituation treibt mich mich mit der Frage um, wie man den "risikolosen" Anteil eines Portfolios "optimieren" kann. Mit optimieren meine ich dabei tägliche Verfügbarkeit bei maximal möglicher Rendite und und Sicherheit.
Hier werden ja in der Regel immer langfristige Anleihen, Tagesgeld oder der Sparstrumpf unter dem Kopfkissen empfohlen. Da meiner Meinung nach aktuell Anleihen immer unattraktiver werden und das Tagesgeld wenn überhaupt 0,8 - 1,2% Zinsen abwirft, würde es mich interessieren, ob es nicht noch weitere und "bessere" Möglichkeiten gibt.
Andere Leser fragen mich, was ich von währungsgesicherten oder Low volatiliy (schwankungsberuhigten) ETFs halte.
Die unheilige Allianz
Die Leser möchten
- renditeschwache Produkte pimpen und
- renditestarke Produkte kastrieren
Das ist Unfug.
Warum?
Zinsprodukte
Schauen wir uns die Zinsprodukte einmal an. Eine Recherche bei Kritische Anleger ergibt:
Festgeld mit 2 Jahren Laufzeit
- 1,55% bei der deutschen Opel Bank. Angebot in Euro und mit deutscher Einlagensicherung
- 1,9% bei der norwegischen BN Bank. Norwegische Einlagensicherung plus Währungsrisiko, denn das Konto wird in Nowegischen Kronen geführt.
- 1,8% bei der tschechischen J&T Banka in Euro. Tschechische Einlagensicherung und im Schadensfall Rückzahlung in tschechischen Kronen.
Tagesgeld
- 1,05% von der Opel Bank. Angebot in Euro und mit deutscher Einlagensicherung
- 1% von der Peugeot Citroën PSA-Direktbank. Angebot in Euro und mit französischer Einlagensicherung.
- Wenn Sie weder PSA noch Opel nicht wollen: Andere Anbieter mit westeuropäischer Einlagensicherung, liegen zwischen 0,9% und 1%.
Welches Renditepotential habe ich?
Hier gibt´s nichts zu pimpen. Wenn Sie 10.000 Euro (aktuell rund 95.000 nowegische Kronen) anlegen, dann sieht die Zinstabelle so aus.
Bank | jährliche Zinsen vor Steuern | Delta absolut | Delta in % der Anlagesumme |
---|---|---|---|
Festgeld | |||
BN Bank | 1.800 NOK | unberechenbare Währungsschwankungen |
n.a. |
J&T Banka | 180 € | 0 € | 0,00% |
Opel Bank | 155 € | 25 € | 0,25% |
Tagesgeld | |||
Opel Bank | 105 € | 75 € | 0,75% |
Peugeot Citroën PSA | 100 € | 80 € | 0,80% |
Den schlimmsten Fehler, den Sie machen können, ist ihre 10.000 Euro auf dem Tagesgeldkonto der PSA-Bank zu lagern und nicht bei der J&T Banka. Dann verlieren Sie 80 Euro. Das entspricht 0,8% der Anlagesumme. Wenn Sie Ihr Geld zur Opelbank bringen, verzichten Sie auf 25 Euro (0,25% der Anlagsumme).
Egal ob Tages- oder Festgeld, die Zinsen sind niedrig und liegen nah bei einander: Hier haben Sie keinen Hebel.
Wenn Sie dennoch unbedingt noch den letzten Euro aus der Sache herausquetschen wollen, werden Sie fragil.
Sie sind bereit für einen kleinen bekannten Vorteil (25 bis 80 Euro mehr) große unbekannte Risiken auf sich zu nehmen.
Auf dem Papier ist Ihre Entschädigung sauber geregelt. Aber bis jetzt war es immer so: Wenn es richtig knallt an den Finanzmärkten, reden alle wild durcheinander. Dann wird improvisiert und es geht hin und her. Die Akteure wirbeln jede Menge Staub auf bis der sich legt, kann es eine Weile dauern.
Wer erinnert sich noch an die Mitte der Nullerjahre dieses Jahrhunderts, als die wilden Wikinger Islands das ganz große Finanzrad drehen und schließlich Frau Merkel dazu zwangen öffentlich die Raute zu machen?
Die isländische Kaupthing Bank wurde am 9. Oktober 2008 zahlungsunfähig. Zehn Monate später, im Juli 2009 begann die Bank mit der Rückzahlung der Einlagen (aber nicht unbedingt der Zinsen).
Was haben die deutschen Sparer damals gejammert…
In solchen Situationen werden politische Lösungen ausgehandelt, bei denen Ihr Wunsch nach Einlagensicherung sich gegen viele andere Einflüsse behaupten muss. Es kann geopolitisch sinnvoll sein, den Bulgaren nicht wegen lumpiger 20.000 deutscher Sparer die Daumenschrauben anzulegen.
Im besten Fall werden Sie einige Zeit nicht über Ihr Geld verfügen können. Im schlechtesten Fall bekommen Sie Ihr Geld nur teilweise zurück.
Variante 2
Sie wetten darauf, dass die Pleite einer bulgarischen Bank hier so ein Medien-Tam-Tam auslöst, dass Merkel sich zu einer Münchhausen-Aktien genötigt sieht.
Die Bulgaren bekommen kurzfristig einen Kredit zu sehr freundschaftlichen Konditionen und zahlen damit die deutschen Sparer aus.
Damit haben Sie - als deutscher Steuerzahler - sich als Anleger an den eigenen Haaren aus dem Finanzsumpf gezogen.
Kann man machen. Das ist dann aber eine Wette, die in die Abteilung "risikobehaftet" gehört. Und es ist eine schlechte Wette. Der ganze Heckmeck für ein Delta von maximal einem Prozent? Das ist nicht wirklich "Wolf of Wallstreet".
Variante 3, meine Lieblingsvariante
Für einen Rendite-Abschlag, der irgendwo zwischen 0,25% und 0,8% der Anlagesumme liegt, erhalten Sie ein Sicherheits-Upgrade. Statt eines bulgarischen BB+-Ratings bekommen Sie den Goldstandard AAA (meine Quelle zum Bulgaren-Rating).
Sehen Sie es als Versicherungsprämie und nicht als entgangene Zinsen. Das macht es einfacher.
Der riskobehaftete Teil
Die Aktien sollen weniger zappeln, das macht mich ganz nervös! Das Problem: Aktien zappeln nun mal gerne. Das gehört zu ihrem Wesen.
Katzenfreunde kennen das Problem: Der Kater ist immer aushäusig und mischt die Nachbarschaft auf. Man kastriert ihn und schon wird er ruhiger und dicker. Kuschelkater statt Kampfkater.
Genau so machen es die Fonds-Manager: Sie schmeißen die ganzen Zappler aus dem Index und verkaufen das dann als schwankungsarme Variante des ursprünglichen Index.
Das Problem: Die Werbung versucht zu suggerieren, dass der LowVol-Index einfach die abgespeckte Variante des klassischen Index ist. So wie bei den ganzen Low-Fat-Produkten. "Genuss ohne Reue, voller Geschmack bei nur 0,1 % Fettanteil."
Das Dumme: Der Minimum Volatility Index verhält sich zum "normalen" Index nicht wie die Zero Coke zur normalen Coke.
Der Emerging Markets MinVola beispielsweise ist nicht einfach die risikoarme Variante des Emerging Market Index. Wenn dem so wäre, wäre es idiotisch, weiterhin einen ETF auf den klassischen EM-Index zu halten. Warum soll ich mehr Risiko tragen als nötig?
Die MinVolas haben ihre ganz eigenen Risiken. Durch die Filterung verschiebt sich die Branchengewichtung erheblich.
Der IT-Sektor ist zugunsten der Langweiler Gesundheit, Versorger, Telekommunikation und nicht zyklische Konsumgüter untergewichtet. Minimum Volatility ist nur eine nette Umschreibung für "no risk, no fun". Wer die Schwankungen dämpfen möchte, muss die Werte "mit Fantasie" stutzen.
Diese Sektor-Monokultur erhöht aber gleichzeitig das Risiko. Die Anbieter müssen also das Kunststück fertigbringen, den Original-Index zu beruhigen, ohne ihn komplett auszuhöhlen.
Ähnliches gilt für währungsgesicherte ETFs.
Im MSCI World sind vom US-Dollar über den Euro bis zum neuen israelischen Schekel 14 Heimatwährungen enthalten.
Firmen wie Apple oder Nestle haben zwar eine Heimatwährung, sind aber als global agierende Konzerne sämtlichen Währungsschwankungen ausgesetzt. Die Firmen werden sich – so gut es geht – selbst gegen Währungsschwankungen absichern.
Das Hedging (Absichern) auf Fonds-Ebene verursacht auf jeden Fall Kosten, die der ETF wieder herein wirtschaften muss. Sonst steht er schlechter da, als der "Plain-Vanilla"-Index.
Fazit
Wegen der vielen Quer-, Seiten- und Nebeneffekte lassen sich die Auswirkungen der Währungsschwankungen schwer quantifizieren. Es hängt eben alles mit allem zusammen. Bei einem Weltportfolio sollten sich im Mittel die Einflüsse der Währungsschwankungen auf die Erträge ausgleichen, sodass eine Absicherung nicht erforderlich ist.
Das Problem dieser Strategie
Was soll das Gemecker, Finanzwesir. Das ist doch eine tolle Strategie.
- Ich erhöhe die Chancen des risikoarmen Teils.
- Ich verringere das Risiko des risikobehafteten Teils.
Klingt doch gut!
Oberflächlich gesehen ist diese Strategie sehr clever. Das Problem lauert unter der Wasseroberfläche. Beide Strategien machen Ihr Depot fragil.
Fragil bedeutet: Eine Änderung wird sich eher negativ als positiv auf Ihr Depot auswirken.
Im risikoarmen Bereich machen Sie jahrelang kleine Rendite-Trippelschritte. Dann kommt ein richtiger Krach und alles steht auf der Kippe.
Der risikobehafteten Bereich schwankt wenig. Aber wenn die Kurse richtig nach oben gehen, fehlen Ihnen die stark wachsenden Firmen. Schauen Sie sich mal den Kurs der Apple-Aktie an. Zwischen Dezember 1980 und Januar 2005 tat sich da nicht viel. Als ich 1993 als PC-Redakteur anfing, war uns allen klar:"Apple überlebt vielleicht als Spezialist für Grafik und Layout. Wenn überhaupt. Im Depot braucht man die jedenfalls nicht."
So kann man sich täuschen.
Was soll ich tun?
Nicht fragil werden! Betrachten Sie Ihr Depot als Ganzes anstatt jeden Baustein isoliert zu bewerten. Das funktioniert nicht. Betrachten Sie Ihr Depot als Team, als Mannschaft. Jedes Teammitglied hat bestimmte Aufgaben zu erfüllen, damit die Mannschaft als Ganzes reüssiert. So ist es auch beim Depot.
-
Der risikoarme Teil (RK1) ist der Petrus im Depot. Sein Auftrag: "Du bist der Fels auf den ich mein Vermögen baue". Petrus macht keine Rendite, Petrus ist armageddonfest - wenn die Welt in Trümmer fällt, schlägt seine große Stunde. Alles bricht zusammen, RK1 steht.
- Der risikobehaftete Teil (RK3) - auch bekannt als Mr. Market - ist für die Rendite zuständig. Wir lassen das himmelhochjauchzende, zu Tode betrübte Partyschwein seine Volatiltät ausleben. Wie sagte Kostolany:
"Wer die Aktie nicht hat, wenn sie fällt, hat sie auch nicht, wenn sie steigt."
Wir kennen die zukünftigen Gewinner nicht, deshalb sind wird marktbreit dabei.
Die einzige Stellschraube
Sie entscheiden, wie viel Party und wie viel Fels sie in ihrem Depot haben wollen.
- Zu viel Fels und alles versteinert.
- Zu viel Party macht Katerstimmung.
Während ich in Bezug auf die ETFs geschrieben habe: Die Mischung ist egal, gilt hier:
Die Mischung macht´s. Die Volatilität des gesamten Depots muss es stimmen. Hängen Sie Mr. Markt so viele Felsen um den Hals, bis Sie sein Gezappel ertragen.
Hier ist reines Bauchgefühl gefragt. Sie können ruhig schlafen, wenn Ihr Depot 10% an Wert verliert? Gut, dass ist Ihr Level.
Wer mit einem 20%igen Wertverlust zurecht kommt, ist nicht mutiger oder besser als Sie, sondern hat einfach eine andere Risikotragfähigkeit.
Es gibt ja auch Menschen, die länger in der Sonne bleiben können als Sie. Risikotragfähigkeit ist eine Eigenschaft, kein Qualitätsmerkmal.
Es geht nicht darum, sich Special-Forces-mäßig auf einen möglichst hohen RK3-Anteil zu drillen.
Was ich mit ziemlicher Sicherheit sagen kann: Wenn Sie erst einmal damit angefangen haben, sich mit Ihren Finanzen zu beschäftigen, wird Ihre Risikotragfähigkeit steigen.
Warum?
Weil man sich vor Dingen, die man kennt nicht fürchtet.
Wenn Sie davon ausgehen, dass Aktienkurse sich im Crash halbieren können, dann müssen Sie - je nach Mischungsverhältnis - mit diesen Maximalverlusten rechnen.
Fazit
- Werden Sie nicht fragil. Lüften Sie die Decke und suchen Sie nach versteckten Risiken und Chancen.
- Lassen Sie den Dingen ihren Charakter. Versuchen Sie nicht die Nachteile eines Produktes zu mindern, sondern setzen Sie es dort ein, wo es seine Vorteile ausspielen kann.
- Wenn Sie bei einem Produkt keine Vorteile für sich erkennen können, setzen Sie es nicht ein.