
Der Ausschütter überweist das Geld aufs Verrechungskonto.
Soweit so verkürzt.
Doch wer nachdenkt stellt fest: DSGVO-Alarm!
- Woher weiß denn die Fondsgesellschaft, dass ich 57 Anteile eines ihrer Fonds besitze?
- Wer hat gepetzt und der Fondsgesellschaft meine Kontonummer verraten?
Zeit für Finanzforensik. In diesem Artikel klären wir
- Der ETF hält Aktien. Ihm stehen deshalb die Dividenden zu. Doch wie kommt die Dividende zum Fonds?
- Ich halte ETF-Anteile. Also stehen mir die Dividenden zu - und noch zehntausenden Anderen. Wie schafft es der ETF die richtige Summe Geld in die richtigen Geldbeutel zu schütten?
Wie schafft es die Dividende in den Fonds?
Nehmen wir als Beispiel den ETF901. Einen replizierenden Ausschütter auf den DAX von Comstage.
Eckdaten zum Fonds
Alles per 14.11.2018
- Fondsvermögen: 78.426.238 EUR
- Umlaufende Anteile 683.800
- Nummer eins im Index: SAP mit einer Gewichtung von 9,49%
SAP-Investorrelations veröffentlicht im Neuland folgendes
- Hauptversammlung am 17. Mai 2018
- Dividende pro Aktie: 1,40 €
- Auszahlung am dritten Werktag nach der Hauptversammlung
Bisschen Mathe
- SAP-Anteil am Fonds: 7.442.650 €
- SAP-Kurs am 14.11.18: 91,54 €
- Der ETF hält 81.305 SAP-Aktien
Zeitlicher Ablauf
Der 17. Mai war ein Donnerstag. Hier fiel der Beschluss: SAP zahlt 1,40 € pro Dividende.
Jetzt kommt die Geldkaskade
- Wer hortet den gesamten Streubesitz? Der Zentralverwahrer. Hier die Clearstream International S.A. Also überweist die SAP-Buchhaltung einfach die gesamte Dividende für den Streubesitz an die Clearstream und ist fertig. Das sind immerhin 1.122.238.404 € (1.228.504.000 Aktien, 65,25% davon im Streubesitz).
- Was tun mit 1,1 Milliarden Euro? Clearstream schaut nach und stellt fest: ETF901 hält 81.305 Aktien. Also wandern 113.827 € aufs Fonds-Girokonto (ja, auch Fonds haben Girokonten, wie Sie und ich).
- Drei Werktage später, am Dienstag, den 22. Mai schauen die Fonds-Manager auf dem Girokonto bei der BNP Paribas Securities Services nach und finden dort die 113.827 €. BNP Paribas Securities Services ist die Depotbank des Fonds.
- 15% - das sind 17.074,05 € - schicken die Fonds-Manager als Tribut an den den Scholzomat.
- Der Rest - das sind 96.752,95 € - wird jetzt auf die 683.800 Anteilsscheine verteilt und dann an die ETF-Besitzer überwiesen.
- Ein schlauer Fonds-Manager steht auf und sagt: "Lasst uns das Geld doch lieber behalten."
- Compliance kriegt Schnappatmung.
- Der Fonds-Manager deutet auf den ultimativen Dividendenkalender und sagt: "Fresenius hatte am 18. Mai Hauptversammlung, die Deutsche Bank hat jetzt am Donnerstag Dividendentermin und Bayer einen Tag später. Lasst uns das doch gebündelt überweisen. Spart Kosten."
- Die Erbsenzähler aus dem Controlling sind begeistert. Bei einer TER von 0,15% gibt’s nicht viele Erbsen zu zählen. Da ist jede Hülsenfrucht, die im Haus bleibt Gold wert.
- Compliance gibt auf. Gegen Kostensparen ist kein Kraut gewachsen.
Also warten alle auf den kommenden Geldsegen. Wirecard beendet die deutsche Dividendensaison 2018 am 21. Juni und nach ein paar fondsinternen Formalismen (der Verwaltungsrat darf sich auch noch mal wichtig machen) ist es dann am 18. August 2018 soweit: "Geld marsch!"
Aber wohin? Dieses Rätsel lösen wir in Teil zwei:
Wie kommt die Dividende zu mir?
Ausführendes Organ: Die Depotbank des Fonds. Die BNP Paribas Securities Services erhält die Anweisung: "Ausschütten."
Jetzt kommt wieder die Geld-Kaskade.
- Die Depotbank des Fonds überweist an den Zentralverwahrer (Clearstream) alles was im Dividendenpot ist. Das Geld verlässt zu diesem Zeitpunkt das Fondsvermögen.
- Der Broker (bei mir Consors) erhält vom Zentralverwahrer die Dividenden für die gesamten Bestände.
- Consors schaut nach wie viele ETF-Anteile ich habe, zieht den Scholzomat-Anteil ab, packt mir den Rest aufs Verrechnungskonto und beballert mich mit MiFID-Papier.
Laufzeit der Kaskade: Zwei Tage.
Und: Nix mit DSGVO-Alarm. Das Ganze ist sehr konspirativ organisiert. Jeder weiß nur das, was er wissen muss, um seinen Schritt der Kaskade bedienen zu können.
- Das einzige, was die Comstage-Buchhaltung weiß: 100% der Ausschüttung geht an den Zentralverwahrer. Eine Kontonummer, eine Überweisung.
- Der Zentralverwahrer weiß welcher Broker wie viele Anteile des ETF901 verwalten. Also teilt die Buchhaltung das Geld entsprechend auf und überweist die entsprechenden Anteile an die einzelnen Broker. Wir reden hier von - grob geschätzt - 50 bis 70 Überweisungen, die der Zentralverwalter anstoßen muss.
- Die Masse der Transaktionen findet brokerintern statt. Der Broker verteilt die Ausschüttungen dann auf seine Kunden. Das ist schnell getan. Teuer ist die Compliance. Alles wird dokumentiert, ausgedruckt und dem Kunden zum abheften zugeschickt. Deshalb mag kein Broker ETFs mit Ausschüttungs-Diarrhö (Scheiß REIT, schüttet zwölf mal im Jahr aus!).
Und demnächst an dieser Stelle: So läuft das beim Thesaurierer.