Ich war am 6. November auf dem Finanzbarcamp in Offenbach. Eingeladen hatte die Comdirect.
Disclaimer: Der Eintritt war frei. Bier und Schnittchen gingen auch auf’s Haus. Anreise und Übernachtung habe ich selbst bezahlt.
Wenn Sie als Privatanleger gerne gekommen wären, aber keine Zeit hatten: Macht nichts, Sie hätten nichts verpasst.
Ah ok, also der totale Flop.
Nein, nicht im geringsten. Aber es war keine Veranstaltung für Privatanleger, die wissen wollen, wie sie ihr Geld am besten anlegen.
Wer war da?
Vor allem Blogger, Journalisten, PR-Leute, Marketing-Menschen, Fintechs und Banken. Also eher Profis und Semi-Profis. Dementsprechend waren die Themen.
Warum hat es mir gut gefallen?
Weil die Sache gut organisiert war. Die Location lag verkehrsgünstig und paßte zum Event. Essen und Trinken waren gut und die Klos sauber.
Klingt jetzt lächerlich. Aber wenn die Basics nicht stimmen, kann einem das die ganze Konferenz versauen.
Deshalb ein Dank an das Orga-Team.
Jetzt kommt das übliche Gemecker: Das WLAN war so strahlungskräftig wie die Wintersonne über Turku.
Das ist aber Standard auf solchen Veranstaltungen. Mein Vorschlag: Einfach kein WLAN anbieten.
Was, kein WLAN??? Ja aber, stotter, stammel…
- Bittere Erkenntnis: Die Erde dreht sich auch weiter, wenn ich nicht twittere. Die Menschheit kann überleben, auch ohne meine Meinung zu einem bestimmten Thema zu kennen.
- Ich stehe um 5:45 Uhr auf, fahre Hunderte von Kilometern, treffe interessante Menschen gleich im Dutzend und tippsele dann auf meinem Handy herum, statt die Chance zu nutzen mich mit diesen Menschen auszutauschen? Wie bekloppt ist denn das!
- Wozu dann WLAN? Lenkt nur ab und bringt keinen richtigen Mehrwert. Anderswo hat man das erkannt: Die Jungs vom SEOktoberfest fahren eine "Don’t blog, don’t tweet"-Strategie.
Wie lief’s ab?
Insgesamt waren rund 70 Leute am Start. Klein genug für ein familiäres Feeling, groß genug um interessante Sessions anbieten zu können.
Barcamp geht so:
- Unser charmanter Moderator Henrik begrüßt alle zur Kaffeefahrt und nimmt uns die Nachnamen weg, denn bei Barcamps duzt man sich. Obwohl ich nicht weiß, ob ich den Arno außerhalb eines Barcamps nicht doch mit Herr Walter ansprechen würde.
- Jeder stellt sich vor: "Ich bin der Albert und betreibe den Blog Finanzwesir. Meine Hashtags sind passives Investieren, ETFs, Podcast". Hashtag = modern für Schlagwort. Was ich toll fand: Das hat bis auf zwei oder drei Ausnahmen auch tatsächlich geklappt. Es gibt halt immer welche, die ‘ne Grundsatzrede halten müssen.
Womit verbringen wir die nächsten drei Stunden?
Henrik ruft die Barcamp-Veteranen auf, sich zu melden (60% waren Rookies, 40% hatten schon Barcamp-Erfahrung). Bei einem Barcamp darf jeder Teilnehmer Themen vorschlagen.
Bei genug Interesse wird aus einem Thema eine Session. Jede Session dauert eine Stunde, fünf gut ausgestattet Räume standen uns zu Verfügung.
Ruckzuck waren die 15 Slots gefüllt. Schnell die Räume der gewünschten Sessions aufgeschrieben und los ging’s.
Meine Session 1
Annette Siragusano (Comdirect) erklärt agile Pressearbeit
Wir Blogger bekommen ja nur das Ergebnis mit (Sie haben Mail). Aber wie arbeitet so eine Pressestelle eigentlich? Annette Siragusano, Kommunikations-Chefin der Comdirect hat’s uns erklärt.
Sie hat sich die Kanban-Methode von der Autoindustrie und agiles Arbeiten von den Programmierern geklaut und für ihre Zwecke umgebaut. Sehr beeindruckend, wie sie mit ihren Kanban-Boards nicht nur sich selbst und ihr Team, sondern auch den Vorstand managed.
Wer unseren Podcast "Der Finanzwesir rockt" kennt, weiß, dass ich einen Hang zum Schnellsprechen habe, aber ganz ehrlich: Diese Frau schlägt mich um Längen. Echt eine ganz Agile.
Fazit für mich: Die Pressestellen der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts haben mit den Kommunikationsdrehscheiben des 21. Jahrhunderts nicht mehr viel zu tun. Wirklich interessant, was da alles passiert ist, seit ich den Journalismus verlassen habe.
Meine Session 2
Joachim Goldberg berichtet über Börsenpsychologie
Ich werde dazu einen gesonderten Artikel verfassen mit dem Titel: "Warum ich niemals ein aktiver Börsianer werde".
Die Abgründe, in die Herr Goldberg uns schauen ließ, waren zu entsetzlich. Ich hätte nie gedacht, dass unser Gehirn so ein fauler und verlogener Geselle ist. Überbordende Zuversicht kombiniert mit der Fähigkeit sich alles schönreden zu können, führt immer wieder zuverlässig in die Katastrophe.
Wer als aktiver Händler wirklich erfolgreich sein will, muss schonungslos ehrlich zu sich selbst sein, über einen stählernen Willen und die Demut eines buddhistischen Mönches verfügen.
Nichts für mich.
Meine Session 3
Grundkurs Bitcoin mit Friedemann Brenneis
Ein Grundkurs zur Digitalwährung Bitcoin. Ein sehr komplexes Thema, dass ich auch nach diesem Grundkurs noch nicht annähernd überblicke.
Das Einzige, was ich sagen kann:
- Ohne Internetzugang sind Sie pleite, denn die Bitcoins lagern nicht auf Ihrem Handy, sondern irgendwo in den Tiefen des Netzes.
- Bitcoins werden in einem Prozess namens Mining erzeugt. Mining bedeutet, dass hochspezialisierte Hardware wie verrückt rechnet. Letztendlich wird Strom in Wäre und Bitcoins transformiert. Wer am billigsten an Strom kommt, gewinnt.
- Es wird nie mehr als 21 Millionen Bitcoins geben. Das macht aber nichts, denn das was dem Euro seine Cents sind, sind dem Bitcoin seine Satoshis.
- Jeder Bitcoin kann in hundert Millionen Satoshis unterteilt werden.
- Bis Bitcoin oder eine andere Digi-Währung Mainstream wird, werden noch einige Jahre vergehen.
Meine Session 4
Um 21:00 Uhr haben Daniel und ich uns zurückgezogen, um den Barcamp-Podcast aufzunehmen. Wieder eine halbe Stunde. Aber dieser Podcast ist nicht so strukturiert, wie die anderen, sondern fällt eher in die Kategorie: "Männer trinken Bier und sprechen über Dinge."
Nun, wir werden sehen. Am 16. November können Sie den Podcast anhören.
Auch unter widrigsten Umständen für Sie am Start: Das Aufnahmestudio für den Barcamp-Podcast. Als Mikrophon: R2D2.
Finanzblog Award
Preise gab’s auch. Nach den Sessions wurde der Finanzblog Award 2015 verliehen. Diese Kollegen haben gewonnen.
Herzlichen Glückwunsch von mir.
- Der Publikumspreis ging an den Bitcoinblog von Christoph Bergmann.
- Platz 1: Plusvisionen von Thomas Schumm.
- Platz 2: Mein Podcast-Parter Daniel Korth, auch als Finanzrocker bekannt.
- Platz 3: The Coinspondent, der Recherche-Blog über Bitcoin von Friedemann Brenneis.
Finanzrocker Daniel Korth (der ohne Lederjacke 3.v.r.) trägt seinen Finanzblog Award
Fazit
Wenn Sie beruflich mit Finanz- und Kommunikations-Themen zu tun haben, sollten Sie das Finanzbarcamp 2016 (so es denn eins geben wird) in Betracht ziehen.
Ich werde mir auf jeden Fall eine Karte besorgen.