Es gibt an der Börse letztlich nur zwei Anlageklassen: Short Volatility und Long Volatility. In diese beiden Schubladen können Sie alles einsortieren.
- Short ist ein Synonym für "ich leide unter". Short-Volatility-Assets leiden darunter, wenn die Kurse stark schwanken.
- Long ist ein Synonym für "gut so, mehr davon". Long-Volatility-Assets laufen zu Höchstform auf, wenn die Börsen komplett desorientiert sind.
Chris Cole von Artemis Capital erklärt das hier in diesem Video
Wenn Sie mehr von Chris Cole lesen wollen, empfehle ich "die Allegorie vom Habicht und der Schlange" - Untertitel "Vermögen mehren und erhalten über 100 Jahre."
Vielleicht nicht schlecht, jetzt wo Ares mal wieder in Europa vorbeischaut.
Short und Long Volatility - die Tabelle
Das hier ist die tabellarische Zusammenstellung aller Aspekte, die ich in den verschiedensten Artikeln bereits beschrieben habe.
Konvergent (Short Volatility), Mediocristan* | Divergent (Long Volatility), Extremistan* |
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Wissenschaftliches Fundament: Effizienzmarkthypothese |
Wissenschaftliches Fundament: Verhaltensökonomie |
Philosophische Sicht der Welt: Die Welt ist klar strukturiert. Vieles ist bekannt. Risiken sind über die Zeit stabil und deshalb in großen Teilen vorhersagbar und berechenbar. Das Risiko bewegt sich innerhalb gewisser - mathematisch beschreibbarer - Verteilungen. Natürlich ist auch hier keine exakte Vorhersage möglich. |
Philosophische Sicht der Welt: Die Welt wird ab und zu heimgesucht von nicht erkennbaren und in ihrer Größe nicht bestimmbaren Risiken. Man kann Risiken bestimmen, weiß aber nie, wie präzise die Vorhersage ist. |
Typisches Investorverhalten: - Gewinne mitnehmen, jeder Gewinn bestätigt meine Berechnungen. - Bei Verlusten den Einsatz verdoppeln, da Verluste nur temporär sein können, weil die Berechnung ja etwas ganz anderes anzeigt (Martingale-Wette). |
Typisches Investorverhalten: - Gewinne laufen lassen => Top, ich scheine beim Herumstochern im Nebel auf eine Goldader gestoßen zu sein. Also weiter machen. - Bei Verlusten: Ausstieg, Verluste minimieren => Ich habe eh keine Ahnung, also kein Gesichtsverlust, wenn ich den Trade schließe. |
Anspruch an die Strategie: - Breit diversifiziert (Kanonenfutterstrategie: jedes einzelne Element ist unwichtig und ein Verlust fällt nicht ins Gewicht) - Kostengünstig (im Einkauf liegt der Gewinn, Kosten schmälern direkt den Gewinn) |
Anspruch an die Strategie: - Verlässlichkeit: Wie sicher ist es, dass die Strategie in der Krise rechtzeitig anspringt? - Konvexität: Wie asymmetrisch steigen die Gewinne in Krisenzeiten an? - Kosten: Wie teuer ist es, die Strategie in guten Zeiten zu betreiben? |
Auszahlungsprofil: Viele kleine Gewinne, ab und zu ein heftiger bis sehr heftiger Absturz |
Auszahlungsprofil: Viele kleine Verluste, ab und zu ein großer Gewinn, bedingt durch die Art, wie die verwendeten Instrumente (Optionen) konstruiert sind. Upside: unbegrenzt, Downside: Option verfällt wertlos - Verlust des Geldes, das man für die Option gezahlt hat. |
Short Liquidität Man kauft wenig Ware für viel Geld. Assets verbrauchen Geld durch Margin Calls. Wenn Geld eh schon knapp ist, steigt der Verbrauch noch mal an. |
Long Liquidität Ein Euro im Tief kauft mehr, als ein Euro in der Hausse. Cash im Crash, das braucht man. Liefern Liquidität, wenn man sie am dringendsten braucht. So wird renditesteigerndes Rebalancing erst möglich. Geld geht in Aktien, Anleihen, Immos, die jetzt preiswert sind. Oder das Geld wird schlicht zum Leben gebraucht, so dass man seine ETF-Position nicht verkaufen muss. Oder man kann als Geschäftsmann seine Konkurrenz kaufen, die nicht so gut dasteht. Oder man investiert in neue Anlagen. Wer liquide ist, kann in der Krise wachsen. Außerdem kann man so besser schlafen. |
Risk on – alle wollen Risiko, weil Risiko = Rendite, Mentalität: Gier ist gut |
Risk off – alle wollen das Risiko los werden, weil es Amok läuft Mentalität: Wo ist mein Safe Space? |
Anlageklassen verhalten sich nach dem Prinzip: Rückkehr zum Mittelwert => Stabilität, man muss es nur aussitzen | Anlageklassen profitieren nichtlinear vom Wechsel. Je größer das Chaos, umso besser. Fachwort: konvex - Markt verliert: 2 %, nichts passiert, - Markt 10% runter, Volatilitätsstrategie liefert 5% Plus, - Markt verliert 20 %, Vol liefert 20 % - Markt verliert 30%, die Vol-Strategie verdient 30 - 50%. Man darf das nicht zu eng sehen. Schon kleinste Rückgänge wegbügeln ist viel zu teuer und kleine Rückgänge behindern den Zinseszinseffekt nicht wirklich. Also: Kein Vollkasko, sondern eine sinnvolle Selbstbeteiligung. |
Korrelieren mit dem wirtschaftlichen Geschehen (Long BIP) | Un-oder antikorreliert zum Wirtschaftsgeschehen der Welt (Short BIP) |
Offensive | Defensive |
Volatilität niedrig an den Börsen | Volatilität hoch an den Börsen |
Preisfindung an den Börsen klappt, Angebot und Nachfrage im Einklang | Korrekter Preis unklar, Angebot und Nachfrage klaffen auseinander |
Liquidität hoch | Liquidität trocknet aus |
Trends nicht sonderlich ausgeprägt | Starke Trends |
Produkte: - Aktien - Anleihen / Zinsprodukte - Immobilien - VC/Angel-Investments - Private Equity |
Produkte: - Trendfolge-Fonds - LongVol-Fonds |
Die Produkte aus diesen beiden Lagern sind strukturell unkorreliert. Deshalb können sie aber trotzdem alle zusammen verlieren. Historische Beispiele: 1994 und 2004, kein Trend, keine Volatilität, Aktien- und Anleihenkurse fallend und das Ganze über mehrere Monate. Das wird auch in Zukunft immer wieder einmal vorkommen. Schließlich werden wir an der Börse für den Kontrollverlust bezahlt.
Und warum Yin & Yang?
Weil es genau passt: Yin und Yang sind zwei Begriffe der chinesischen Philosophie, insbesondere des Daoismus. Sie stehen für polar einander entgegengesetzte und dennoch aufeinander bezogene duale Kräfte oder Prinzipien, die sich nicht bekämpfen, sondern ergänzen.
* Mediocristan und Extremistan sind ein Risikokonzept von Nassim Nicholas Taleb