Leser S. schreibt
Ich habe Ich habe mich zur Zeit mit meiner Mutter ganz blöd verkracht, weil wir bei diesem Thema (es geht ums Sparen, Anm. Finanzwesir) so sehr verschiedener Meinung sind.
Sie ist da überaus empfindlich und ich spreche klar was ich dazu denke und wie kritisch ich das sehe. Das nötige Feingefühl muss ich aber noch finden.
Es sieht wirklich nicht gut aus für sie. Sie ist geschieden und bekommt daher bald eine sehr kleine Rente, betreibt eine eigene kleine Praxis.
Leider kommt das Geschäft aber nie so richtig aus den groben Schulden heraus und das System bewegt sich immer auf Messers Schneide.
Das wird aber nicht so ganz wichtig genommen und es wird lieber ein neues Auto geleast. Nachdem sie seit neuestem auch noch Sky bestellt hat, platzt mir nun aber bald die Hutschnur. ;)
Ich frage mich was ich da als Sohn machen kann, um sie zur Vernunft zu bringen. Denn wenn es hart auf hart kommt, bin ich doch wohl irgendwie rechtlich und mindestens auch moralisch verpflichtet zu helfen.
Das ist einfach nur schade, da sie mit ein wenig Vernunft sicher in 3-4 Jahren schuldenfrei wäre und sich noch etwas Rentenpolster aufbauen könnte.
Irgendwie sträubt es sich in mir, da nicht alles versucht zu haben, um das Ruder noch herumzureißen. Hast du vielleicht einen Tipp wie man mit solchen unbelehrbaren nahen Verwandten umgeht?
Der Finanzwesir antwortet
Aus der Zeit des kalten Krieges: Iwan der Russe ist unzufrieden mit der Linientreue von Piotr dem Polen.
Piotr beruhigt ihn: "Wir sind nicht nur Freunde, sondern Brüder."
Da ist Iwan wieder zufrieden.
Im Weggehen murmelt Piotr: "Freunde kann man sich aussuchen."
Will sagen: Familie kann man sich nicht aussuchen. Ich als Vater habe nur einen sehr geringen Einfluss auf meine Töchter.
Du als Sohn hast keinen Einfluss auf Deine Mutter. Sie ist jetzt 50 oder 60 Jahre so durchs Leben gekommen, warum soll sie etwas daran ändern?
Kennst Du Traktor Pulling? Ein Monster von Traktor (4 x V8-Motoren oder 2 Jet-Triebwerke) zieht einen Bremswagen über 100 Meter. Je heftiger der Trecker zieht und zerrt, umso mehr gräbt sich der Bremswagen ein.
Du bist der Traktor und deine V8-Motoren sind die guten und logischen Argumente, die du auf deiner Seite hast.
Deine Frau Mutter ist der Bremswagen. Jedes gute Argument treibt sie mehr in die Defensive.
Youtuber wissen: Meist zieht der Trecker den Kürzeren. Ist aber enorm spektakulär, wenn sich vier V8 feuerspeiend verabschieden.
Deshalb: Spuck’ kein Feuer, sonder söhn’ dich mit ihr aus und lass sie ihr Leben leben.
Wenn ihr Euch beide wieder gut versteht, kannst du ja mal einfließen lassen, das du sie liebst und für sie Rücklagen bildest.
Wenn sie fragt warum, sagt du ihr, dass du für sie im Alter verantwortlich bist.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat geurteilt (Aktenzeichen XII ZB 607/12), dass selbst:
"Die "Aufkündigung des familiären Bandes" gegenüber erwachsenen Kindern noch keine "schwere Verfehlung" ist, die zum Verlust des Unterhaltsanspruchs führt."
Vielleicht weiß sie das nicht. Wenn du das beiläufig einfließen lässt, fängt sie vielleicht an nachzudenken.
Wenn du ihr im gleichen Atemzug 1.000 tolle Tipps servierst, was sie alles machen könnte, hört sie gleich wieder auf mit nachdenken.
Grundsätzlich gilt: Kinder haften für ihre Eltern.
Allerdings nicht unbegrenzt: Wenn Du nicht sparst, sondern selbst auf großem Fuß lebst, ist das ok. Dann brauchst Du Dich nicht einzuschränken, denn der BGH sagt:
"Der Lebensstandard muss den Kindern erhalten bleiben."
So die aktuelle Rechtsprechung heute. Wenn das Geld knapper wird, kann sich das alles noch ändern.
Was deinen Lebensstandard angeht: Den musst du gegenüber dem Amt dokumentieren.
Laut BGH gilt:
"Alles, was sich im eigenen Leben als gewohnheitsmäßiger Lebensstandard herauskristallisiert hat, können unterhaltspflichtige Kinder einkommensmindernd ansetzen."
- Langfristig die Einkaufsbelege für die Fernseher aufheben. Wir kaufen uns alle zwei Jahre einen neuen, das ist unser Lebensstandard.
- Auto immer neu kaufen.
- Regelmäßige teure Fernreisen. Da reicht der Fotobeweis vermute ich.
- Ich kaufe immer Hugo Boss und nie im Outlet, hier sind die Belege.
Mit anderen Worten: Jetzt schon darüber nachdenken, wie man gegenüber dem Amt argumentieren will.
Ich sehe da ein Problem: Wie will man Ausgaben in der Zukunft gegenüber dem Amt verteidigen?
- Im eigenen Haus: Aber das Dach muss in spätestens zehn Jahren repariert werden. Deshalb bilde ich Rücklagen. Apropos Haus: Eine selbstgenutzte Immobilie angemessener Größe gehört zum Lebensstandard und nicht zum Vermögen. Was "angemessen" ist, wird Ihr Anwalt sicher gerne mit dem Amt diskutieren.
- Ich möchte aber mit 55 Privatier werden. Deshalb spare ich. Das ist mein Lebensstandard.
Ich sehe jede Menge Jobs für Gutachter und Anwälte. Denn die Sachbearbeiter im Amt sind nicht verpflichtet, die jeweils aktuelle Rechtslage zu kennen.
Fazit
- Physiker wissen: Druck erzeugt Gegendruck.
- Ich habe im letzten Podcast gesagt: Leute habt euch lieb. Einfach so und aus Renditegesichtspunkten.
Ich würde eine Dreifachstrategie vorschlagen:
1. Sich wieder mit Mama vertragen!
Mama ihr Leben leben lassen und nur dezent, aber immer wieder mal an die Mutterliebe appellieren.
Man kann das ja mal im Gespräch anklingen lassen, dann aber gleich das Thema wechseln.
Die meisten Mütter wollen, dass es ihren Kindern gut geht und ihnen nicht auf der Tasche liegen.
Wie gesagt, vielleicht weiß sie einfach nicht, dass S. für ihren Unterhalt aufkommen muss. Der Staat gibt nur das dazu, was S. nicht aufbringen kann.
Bonus: Dieser Teil der Strategie macht Gutachter und Anwälte arbeitslos.
2. Einnahmen erhöhen
Wie sieht’s denn bei den Einnahmen aus? Lässt sich da etwas machen? Warum läuft die Praxis nicht gut? S. hat darüber nichts geschrieben, deshalb ist jede Spekulation müßig.
3. Für den Fall der Fälle vorsorgen
Welche Verpflichtungen habe ich und welche Möglichkeiten habe ich meine Zahlungsverpflichungen zu minimieren? Kein schönes Thema, aber leider notwendig. Jetzt hat S. noch Optionen und Gestaltungsspielraum. Deshalb ist jetzt ein guter Zeitpunkt sich darüber Gedanken zu machen.
Meiner Meinung nach sitzt S. im Konfliktfall trotzdem am längeren Hebel, denn: "Eltern seid nett zu euren Kindern, sie suchen nachher das Altersheim für euch aus."
Nee, einfach ist das alles nicht. Ich habe aber auch nie ein Patentrezept versprochen.
Eine persönliche Anmerkung
Ich finde es viel spannender ETF-Cocktails zu mixen oder mich über Robo-Advisors aufzuregen. Aber Themen wie diese gehören zum "finanziellen erwachsen werden" dazu. Eigentlich sind diese "weichen Themen" noch viel wichtiger als ETFs, Aktien oder Tagesgeld, denn das Potential in beide Richtungen ist ungleich größer.
- Es geht gut: Finanziell im grünen Bereich und hohe emotionale Rendite.
- Es geht schlecht: Das wird richtig teuer, sowohl finanziell wie emotional.
Solchen Grusel-Themen muss man deshalb an den Hörnern packen und in den Griff kriegen.
Soweit meine Meinung. Was sagen Sie dazu? Ich würde mich freuen, wenn wir S. genau so viele gute Antworten geben, wie damals J. beim "Chill mal Papa"-Artikel.