Die Community ist King. Leser Domink und seine Freundin haben sich hingesetzt und für uns alle eine Excel-Datei zusammengebaut.
Jetzt kann jeder mit seinen Zahlen prüfen, wie sich die Steuerreform 2018 ganz konkret auf das Depot auswirkt.
Mein Dank an das Team Dominik!
Dominik stellt sich vor
Ich bin 35 Jahre alt und unterrichte an einer Realschule in Bayern. Dank Finanzblogs und Podcasts habe ich mir einiges an Wissen im Bereich Finanzen aufgebaut und bin allen Autoren und Podcastern sehr dankbar für ihren Einsatz.
Privat - und auch berufsbedingt - bastle ich gerne Lösungen mit Excel Da ich Dingen gerne auf den Grund gehe habe ich (mit der Hilfe meiner Freundin) ein Excel-Sheet entwickelt, das mir die neue Besteuerung von Fonds darstellt.
Nachdem ich dann verschiedene Fälle einfach durchspielen konnte, habe ich meine Erkenntnisse für euch zusammengefasst. Ich gehe nicht auf Grundsätzliches zur Reform ein, weil ich denke, dass die Erklärung des Gesetzes schon hervorragend geleistet wurde, sondern will meine Gedanken und Rückschlüsse zur neuen Steuer mit euch teilen.
Wichtig
Bitte bedenkt, dass ich kein Steuerberater oder Jurist bin. Selbst wenn ich alle Berechnungen höchst gewissenhaft durchgeführt und alle Informationen sorgfältig recherchiert habe, kann ich nicht für ihre Fehlerfreiheit garantieren.
Sämtliche Berechnungen habe ich ohne Berücksichtigung der Kirchensteuer durchgeführt, da sie für mich nicht relevant ist. Nicht beachtet bei den Berechnungen habe ich auch Sonderfälle, wie dem Kauf von Anteilen unterhalb des Jahres. Außerdem gelten alle Berechnungen nur für Aktienfonds / ETFs.
Jetzt aber los mit meinen Gedanken.
Der Basisertrag öffnet der Willkür die Tür
Zur Berechnung der Vorabpauschale nutzt das Bundesministerium für Finanzen einen fiktiven, von der Bundesbank (auch eine staatliche Behörde) selbst festgelegten Refernzzins.
Dieser beträgt für 2016 1,1%. Für eine Zeit wohlgemerkt, in der der Leitzins der EZB auf 0,00% steht/stand. Ich möchte nicht wissen, um welchen Faktor das Ministerium den Referenzzins erhöhen lässt, sollten die allgemeinen Zinsen wieder einmal steigen.
Dies ist nicht nur schon an sich unerfreulich, sondern hat auch ganz praktische Folgen, welche die Überlegungen einiger Finanzblogger und Leser direkt beeinflussen werden.
Auch ausschüttende Fonds werden von der Vorabpauschale betroffen sein
Viele Blogger und Leser verfolgen ein so genanntes ETF-Weltportfolio, vereinfacht bestehend aus MSCI World und MSCI Emerging Markets.
Sie überlegen sich nun, bisher genutzte thesaurierende Fonds, wie etwa die beliebten ETFs von comstage, zu verkaufen, um der neuen Besteuerung zu entgehen.
Und genau an dieser Stelle könnten sie eine dicke Überraschung erleben. Ausschüttende ETF auf den MSCI World* weisen aktuell etwa eine Ausschüttungsrendite von 1,9% aus, bei den Emerging Markets** etwa 1,6%. Sollten die allgemeinen Zinsen und damit der Referenzzins stark steigen, ohne dass die Ausschüttungen ebenfalls steigen, könnten bald eben auch diese ausschüttenden ETFs von der Vorabpauschale betroffen sein. Wer jetzt seine thesaurierenden ETFs verkauft, um nicht von der Vorabpauschale betroffen zu sein, wird ihr in Zukunft vielleicht doch unterworfen sein.
Ich gehe einmal von folgendem Szenario aus: Die Ausschüttungsquote im MSCI Emerging Markets bleibt konstant bei 1,6% während die (Markt-/Leit)Zinsen und damit der Referenzzins steigen. Dann bedeutet dies ab einem willkürlichen Referenzzins (siehe Punkt 1) von 3,27%, dass die ausschüttenden ETFs ebenfalls von der Vorabpauschale betroffen sein werden.
Fall 1
Anleger mit ausschüttendem MSCI Emerging Markets (Ausschüttung 1,6%), Gesamtwertentwicklung 7% und Referenzzins von 3,27%:
Die Steuer beträgt 29,60 € (Abgeltungssteuer 29,54 € + 0,06 € Vorabpauschale)
Dies Problem betrifft primär die häufig genutzte Weltportfolio-ETF Strategie, da die Ausschüttungen, sofern ein ausschüttender ETF gewählt wurde, hier eher gering (kleiner 2%) sind.
Aber auch andere ausschüttende Strategie-ETFs (Growth, Small Cap) werden in diese Problematik hineinrutschen. Die ETFs auf Dividendenaktien sind wegen höherer Ausschüttungsquoten tendenziell nicht gefährdet. Bei der Dividendenstrategie gehört eine gewisse Ignoranz in Bezug auf Steuerthemen einfach dazu.
Gleiche Wertentwicklungen können in unterschiedlicher Besteuerung mit über 100% Unterschied resultieren.
Sollten die bisherigen Berechnungsmodelle der Blogs richtig sein, so könnten folgende Fälle in jeweils zwei Varianten auftreten.
Fall 2
Ein ETF mit 10.000 € Startwert entwickelt sich zu einem Endwert von 10.054 €. Die Berechnung erfolgt mit dem 2016er Referenzzins von 1,1% und jeweils auf Jahresbasis.
Variante 1
Der Endwert besteht aus 10 € Ausschüttung und 10.044 € Anteilswert (Ausschütter) Die Steuer beträgt 7,33 € (1,85 € Abgeltungssteuer + 5,49 € Vorabpauschale).
Variante 2
Der Endwert besteht aus 10.054 € Anteilswert (Thesaurierer) Die Struer beträgt 14,22 € (Vorabpauschale).
Dieser (ja, unwahrscheinliche) Fall ist schon krass. Knapp 100% höhere Steuerzahlung beim Thesaurierer. Zu Beachten ist ferner, dass der Referenzzins sich ja ändern kann. Die nächste Berechnung erfolgt mit einem (willkürlichen, aber oben schon einmal benutzten) Referenzzins von 3,27% und jeweils auf Jahresbasis.
Fall 3
Ein ETF mit 10.000 € Startwert entwickelt sich zu einem Endwert von 10.150 €. Die Berechnung erfolgt mit dem fiktiven Referenzzins von 3,27% und jeweils auf Jahresbasis.
Variante 1
Der Endwert besteht aus 60 € Ausschüttung und 10.090 € Anteilswert (Ausschütter). Die Steuer beträgt 11,87 € (11,08 € Abgeltungssteuer + 0,79 € Vorabpauschale).
Variante 2
Der Endwert besteht aus 10.150 € Anteilswert (Thesaurierer). Die Steuer beträgt 27,69 € (Vorabpauschale).
Man sieht also, dass die gleiche Wertentwicklung unterschiedlicher Fonds zu unterschiedlicher Besteuerung führen kann.
Dabei kann, je geringer die Wertentwicklung ist, ein thesaurierender Fonds nachteilig gegenüber einem ausschüttenden Fonds sein.
Ist die Rendite insgesamt negativ, hat der Thesaurierer wieder Vorteile.
Insbesondere die Punkte, an denen die Wertentwicklung und der Basisertrag sich überschneiden sind interessant, weil sich die Besteuerung hier ändert.
Fall 4
Ein thesaurierender ETF mit 10.000 € Startwert hat einen rechnerischen Basisertrag von 53,90 € bei einem Referenzzinssatz von 1,1%.
Variante 1
Der Endwert beträgt 10.053 € und ist kleiner als der Basisertrag. Die Steuer beträgt 9,79 € (Vorabpauschale).
Variante 2
Der Endwert beträgt 10.054 € und ist größer als der Basisertrag. Die Steuer beträgt 14,22€ (Vorabpauschale).
Ein Euro mehr an Wertentwicklung führt zu einer höheren Steuerbelastung von knapp fünf Euro.
Das heißt, dass die Besteuerung für uns als Anleger dann ungünstig ist, wenn die Wertentwicklung (knapp) oberhalb des fiktiven Basisertrages ist, weil sich an diesem Punkt die Berechnungsmethodik ändert.
Doch nicht nur das. Auch die Erhöhung des Referenzzinses muss nicht zwangsläufig zu einer erhöhten Vorabpauschale führen.
Fall 5
Ein thesaurierender ETF mit 10.000 € Startwert und 10.054 € Endwert wird besteuert. Diese Vorabpauschalen werden fällig.
- Mit einem Referenzzins von 1,1% -> Steuer 14,22 €
- Mit einem Referenzzins von 3,27% -> Steuer 9,97 €
Zugegeben, das sind alles schon sehr hypothetische Szenarien, zeigen aber ganz schön die Konstruktionsschwäche und Idotie einer solchen Gesetzgebung.
Je höher die Wertentwicklung, desto lohnender bleiben thesaurierende Fonds
Viele Blogger rechnen ja gerne vor, dass ein Weltportfolio eine erwartete Rendite von 7% p.a. erbringt. Auch damit kann man die Steuer einmal berechnen
Fall 6
Ein ETF mit 10.000 € Startwert entwickelt sich zu einem Endwert von 10.700 € (Wertsteigerung 7%). Die Berechnung erfolgt mit dem Referenzzins von 1,1% und jeweils auf Jahresbasis.
Als Ausschütter wird ein ETF MSCI World mit einer Ausschüttungsrendite von derzeit 1,9% angenommen.
Variante 1
Der Endwert besteht aus 190 € Ausschüttung und 10.510 € Anteilswert (Ausschütter). Die Steuer beträgt 35,08 € (Abgeltungssteuer).
Variante 2
Der Endwert besteht aus 10.700 € Anteilswert (Thesaurierer). Die Steuer beträgt 14,22 € (Vorabpauschale).
Für die vom durchschnittlichen Finanzblogger und Finanzblogleser angenommene Rendite des Weltportfolios ist, steuerlich betrachtet, der thesaurierende ETF klar im Vorteil. Jetzt steigern wird einmal die Rendite.
Fall 7
Ein ETF mit 10.000 € Startwert entwickelt sich zu einem Endwert von 15.000 € (Wertsteigerung 50%!!! Juhu!!). Die Berechnung erfolgt mit dem Referenzzins von 1,1% und jeweils auf Jahresbasis.
Variante 1
Der Endwert besteht aus 190 € Ausschüttung und 14.810 € Anteilswert (Ausschütter). Die Steuer beträgt 35,08 € (Abgeltungssteuer).
Variante 2
Der Endwert besteht aus 15.000 € Anteilswert (Thesaurierer). Die Steuer beträgt 14,22 € (Vorabpauschale).
Man sieht also, dass die Wertentwicklung eines ETFs von 50% zu der gleichen Steuerbelastung führt wie die Wertentwicklung von 7%. Tendenziell kann man also sagen, dass je schlechter die Wertentwicklung ist, desto negativer ist die neue Besteuerung für uns als Anleger.
Die relevante Vorabpauschale ist relativ gering
Aktuell (beim Referenzzins von 1,1%) beträgt die daraus resultierende tatsächliche Steuerbelastung von thesaurierenden Fonds 0,14%.
Diese setzt sich zusammen aus dem Referenzzins (1,1%), zweimal der Teilfreistellung von 70% (einmal auf Fondsebene, einmal auf Anlegerebene) sowie dem Steuersatz von 26,375%. Bei einer Steigerung auf den oben angenommenen Referenzzins von 3,27% wären das
0,0327 * 0,7 * 0,7 * 0,2638 = 0,004226, das heißt eine Steuerbelastung von 0,422%.
Selbst das finde ich noch verschmerzbar, wenn auch schmerzlich. Ist halt wie eine zusätzliche TER. Aber immer noch billiger als alle managed Fonds dieser Welt.
Meine Schlussfolgerungen
Ich werde weiterhin Thesaurierer nutzen und bei meiner Wahl der zwei ETFs von Comstage bleiben.
Da die ETF-Sparpläne ab Januar 2018 sowohl bei der Consorsbank als auch bei der Comdirect kostenpflichtig werden, werde ich die Weltportfolio-Sparpläne aussetzen und erst einmal die weitere Entwicklung beobachten.
Aber ich werde weder meine thesaurierenden Anteile verkaufen, noch auf ausschüttende ETFs oder Einzelaktien umstellen.
Ich verfolge auf mein Gesamtvermögen verteilt insgesamt sechs verschiedene Strategien, ich kann die monatlichen Sparraten also auf fünf andere verteilen.
In der Zukunft werde ich nach Möglichkeiten Ausschau halten, die Positionen der comstage ETFs (110 und 127) kostengünstig auszubauen.
Ich werde auch die Besteuerung im Auge behalten (also jede Abrechnung kurz überfliegen und mit der Excel gegenchecken, dauert einen Minute) und ansonsten nichts ändern.
Vor allem lohnt es sich meiner Meinung nach überhaupt nicht, die thesaurierenden Fonds (MSCI World, MSCI EM) gegen ausschüttende umzutauschen.
Zum einen ist die Besteuerung nachteiliger, zum anderen kann ich mir nie sicher sein, dass ich über die Lebenszeit des ausschüttenden ETFs nicht doch einmal der Vorabpauschale unterworfen sein werde. Und da ich keine Sicherheit habe, lasse ich es lieber gleich.
Für alle, die etwas ändern wollen, noch ein Gedanke: Der relevante Termin für eure Entscheidung ist nicht der 1.1.2018, sondern der letzte Börsentag im Jahr 2018 (also Ende Dezember 2018).
Bis dahin kann ich mich von alten Anteilen trennen, ohne dass sich rechtlich und steuerlich etwas ändert. Ich kann Anteile verkaufen und unterliege der Abgeltungssteuer so wie immer.
Oder ich kann meine Anteile behalten. Steuerlich relevant wird erst der ETF-Anteil, der nach dem Ende des letzten Börsentages 2018 noch in meinem Depot ist. Jeder hat also noch ausreichend Zeit, um sich ein Urteil zu bilden und besonnen und rational zu entscheiden.
Das Excel Formular (nur für Aktienfonds / ETFs)
Wie versprochen hier die Excel-Datei als ZIP-Archiv zum Download. Ihr braucht nur noch drei Informationen. Anfangswert, Endwert, Ausschüttung (und als viertes den Referenzzins, den kann man auch ändern, er ist aber erst mal auf die 1,1% von 2016 vorbelegt.). Alle Felder, in die ihr etwas eingeben müsst sind grau hinterlegt. So einfach. Und jetzt viel Spaß beim Nachrechnen der hier gezeigten Beispiele und der realen Zahlen aus eurem Depot!
Für die Beispiele benutzt:
- * db x-trackers MSCI World Index UCITS ETF (DR) 1D WKN A1XEY2
- ** HSBC MSCI Emerging Markets UCITS ETF WKN A1JXC9